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Bremen: Neonazis wegen mutmaßlichen Brandanschlags vor Gericht

Vor fünf Jahren brach im Bremer Jugendzentrum »Die Friese« ein Feuer aus. Nun sitzen drei Männer aus dem Neonazimileu auf der Anklagebank

  • Joachim F. Tornau
  • Lesedauer: 4 Min.
Das Jugendzentrum »Die Friese« wurde mutmaßlich von Neonazis in Brand gesetzt.
Das Jugendzentrum »Die Friese« wurde mutmaßlich von Neonazis in Brand gesetzt.

Fast auf den Tag genau fünf Jahre ist es her, dass im Bremer Jugendzentrum »Die Friese« ein verheerendes Feuer ausbrach – gelegt mutmaßlich von Neonazis. Doch wenn der Mann, der die Institution im linksalternativen Steintor-Viertel damals wie heute leitet, von jenem Abend erzählt, dann klingt er so erschüttert, als sei das alles erst gestern passiert. Von »Panik« unter den Besucher*innen spricht der Sozialarbeiter, von »Chaos«, von einem »Inferno«. »Es brach die Hölle los, ich kann es nicht anders sagen«, sagt der 57-Jährige. »Ich hatte große Angst, dass jemand stirbt.«

Wegen des mutmaßlichen Brandanschlags, der einen Sachschaden von 180 000 Euro angerichtet haben soll, müssen sich drei Männer aus dem Umfeld der neonazistischen Kleinstpartei Die Rechte seit Januar vor dem Bremer Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft Jan E. (29), Nico J. (35) und Dave S. (41) schwere Brandstiftung und gefährliche Körperverletzung vor. Die Angeklagten bestreiten jedoch eine rechtsextrem motivierte Tat.

Ohne böse Absicht, bloß zum Pinkeln und Kickern seien sie während einer Sauftour in die »Friese« gegangen. Beim Versuch, sich sternhagelvoll eine Zigarette anzuzünden, will Jan E. dann eine Jacke angezündet haben. Aber nur versehentlich und ohne die dramatischen Folgen zu bemerken. Und seine beiden Gesinnungsgenossen wollen nicht einmal davon etwas mitbekommen haben.

Als der Leiter des selbstverwalteten Kultur- und Jugendzentrums und weitere Betroffene der Tat als Zeug*innen vor Gericht aussagen, werden die Zweifel an diesen Einlassungen nicht geringer. Kann man glauben, dass die Angeklagten von dem Konzert, das am Tatabend im großen Saal der »Friese« stattfand und von rund 30 Menschen besucht wurde, nichts bemerkt haben? »Wir haben eine gute, sehr basslastige Anlage«, sagt der Sozialarbeiter. »Das war definitiv zu hören.« Draußen vor der Tür habe zudem ein Aufsteller auf die Veranstaltung hingewiesen, mit dem deutlichen Hinweis: »Hier heute«.

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Und waren sie wirklich so besoffen, wie sie behaupten? Ein 47-Jähriger, der zwei der Angeklagten am Kicker gesehen hatte, sagt: »Auf mich wirkten sie nicht volltrunken, nur leicht alkoholisiert.« Aber aggressiv seien sie ihm vorgekommen. Wegen ihres Tonfalls und ihrer Körpersprache. Und wegen der abfälligen Bemerkung, die sie darüber gemacht hätten, dass jemand den Figuren des Tischkickers lange Haare angeklebt hatte. »Ich hatte da schon ein mulmiges Gefühl.«

Auch wenn sich alle Menschen rechtzeitig ins Freie hatten retten können: Folgenlos blieb die Tat für sie nicht. Von Schlafstörungen und Herzrasen berichtet eine Frau, die sich dem Verfahren als Nebenklägerin angeschlossen hat. »Man schafft irgendwann, es wegzuschieben«, sagt sie. »Aber es kommt immer wieder hoch.« Ein anderer erzählt, dass er bis heute immer mal wieder Rauch rieche, wo keiner sei. Auch der Leiter der »Friese« musste sich in Therapie begeben, um zu verarbeiten, dass das Haus, in dem er seit 30 Jahren arbeitet, plötzlich kein sicherer Ort mehr für ihn sein sollte: »Es war furchtbar, herzzerreißend. Ich habe mein ganzes berufliches Leben in diesem Haus verbracht.«

Unmittelbar nach dem Brand waren an der Eingangstür der »Friese« frisch angebrachte Aufkleber der Partei Die Rechte entdeckt worden. Ein »Schock«, sagen die Zeug*innen. Weil für sie damit klar gewesen sei, dass sie Ziel eines rechtsextremen Anschlags geworden seien. Dass zumindest der Hauptangeklagte Jan E. ein militanter Neonazi ist, dem auch rechtsterroristische Neigungen nicht fremd sind, belegte die Durchsuchung seines Hauses in Dörverden bei Bremen. »Wenn man im ›Tatort‹ das Zimmer eines Neonazis inszenieren würde, sähe das ganz genauso aus«, sagt Nebenklageanwältin Lea Voigt.

Überall waren rechtsextreme Devotionalien. An den Wänden Hakenkreuzfahne, Reichskriegsflagge und eine Karte des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1939. Im Regal Hitlers »Mein Kampf«, dazu die deutsche Übersetzung eines Manifests des verbotenen Neonazi-Netzwerks Blood & Honour, das den bewaffneten Kampf in kleinen Zellen predigt und auch dem rechtsterroristischen NSU als Inspiration diente. Und in den Scheunenboden war ein Hakenkreuz eingeritzt, mit den Worten »Danke Uwe«. Auch der Staatsschutz der Polizei geht davon aus, dass damit die NSU-Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gemeint sein dürften.

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