Merz gegen Antifa

Unions-Kanzlerkandidat sorgt zum Wahlkampfabschluss mit Äußerungen zum Tod seines Parteifreundes Walter Lübcke für Empörung

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Liegen zusammen bei 30 Prozent – im Wahlkampf taten CDU und CSU aber bis zum Schluss so, als bräuchten sie keinen Koalitionspartner jenseits der AfD.
Liegen zusammen bei 30 Prozent – im Wahlkampf taten CDU und CSU aber bis zum Schluss so, als bräuchten sie keinen Koalitionspartner jenseits der AfD.

München. Äußerungen von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz beim Wahlkampfabschluss von CDU und CSU am Samstagnachmittag in München sorgen für Kritik von SPD, Linke und aus der Zivilgesellschaft. Merz sagte unter anderem: »Links ist vorbei. Es gibt keine linke Mehrheit und keine linke Politik mehr in Deutschland.« Er werde wieder Politik für die Mehrheit der Bevölkerung machen, die gerade denke und »alle Tassen im Schrank« habe – und nicht »für irgendwelche grünen und linken Spinner auf dieser Welt«, führte Merz aus.

Des weiteren attackierte Merz gegen rechte Politik demonstrierende Menschen verbal. Einen Tag vor der Wahl hatten sich in mehreren Städten Menschen zu Demonstrationen gegen Rechtsextremismus versammelt. In Hamburg sprach die Polizei in der Spitze von rund 40 000 Teilnehmenden, in Freiburg von rund 25 000.

Der CDU-Chef sagte in seiner Rede im Münchner Löwenbräukeller: »Ich frage mal die ganzen, die da draußen rumlaufen, Antifa und ›Gegen Rechts‹: Wo waren die denn, als Walter Lübcke in Kassel ermordet worden ist von einem Rechtsradikalen?«. In den Sozialen Medien sorgte diese Aussage für Empörung. Denn tatsächlich hatte es nach dem Mord an dem Kasseler CDU-Regierungspräsidenten Lübcke am 1. Juni 2019 viele Demonstrationen gegeben. Mehrmals versammelten sich in den Tagen und Wochen danach Tausende Menschen in Kassel und in anderen Städten.

»Der Untersuchungsausschuss zum Mord an Walter Lübcke wurde von SPD, Linke und FDP beantragt. Die CDU hat die Aufklärung massiv behindert.«

Janine Wissler Linke-Bundestagsabgeordnete

Aus seiner eigenen Partei heraus hatte Lübcke, der sich für die Aufnahme von Geflüchteten engagierte und sich 2015 auf einer Bürgerversammlung gegen rechte Hetze gegen sie aussprach, indes kaum Unterstützung erhalten. Dies sagte Lübckes Sohn Christoph im Februar 2023 dem Portal T-Online. Lübckes späterer Mörder hatte einen Satz des Politikers als Video veröffentlicht und so eine langanhaltende Hetzkampagne gegen ihn losgetreten. Der Christdemokrat erhielt jahrelang Drohanrufe und Morddrohungen. Christoph Lübcke betonte in dem Interview, aus der CDU sei »wenig bis nichts« gekommen. Sein Vater habe sich hat sich »schon sehr allein in dieser Situation gefühlt«.

Die Linke-Bundestagsabgeordnete Janine Wissler, seinerzeit Vorsitzende der Linksfraktion im Hessischen Landtag, erinnerte am Sonntag auf X daran, dass es ihre Partei war, die schon 2015 im NSU-Ausschuss des Landtags nach den Aktivitäten des späteren Mörders gefragt hatte, für den sich der hessische Verfassungsschutz nicht mehr interessierte. Wissler weiter: »Der Untersuchungsausschuss zum Mord an Lübcke wurde von SPD, Linke und FDP beantragt. Die CDU hat die Aufklärung massiv behindert.«

Die SPD warf Merz derweil vor, mit seinen Aussagen über »grüne und linke Spinner« zu spalten. »Friedrich Merz macht auf den letzten Metern des Wahlkampfes die Gräben in der demokratischen Mitte unseres Landes nochmals tiefer«, schrieb SPD-Chef Lars Klingbeil auf X. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sprach vom Tiefpunkt des Wahlkampfes. »Statt zu einen, entscheidet sich Friedrich Merz, noch einmal richtig zu spalten. So spricht niemand, der Kanzler für alle sein will – so spricht ein Mini-Trump«, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. »Wer linke Politik beenden will, erklärt Millionen Menschen, dass ihre Sorgen keinen Platz mehr haben.«

»Statt zu einen, entscheidet sich Friedrich Merz, noch einmal richtig zu spalten. So spricht niemand, der Kanzler für alle sein will – so spricht ein Mini-Trump.«

Matthias Miersch SPD-Generalsekretär

Merz betonte in München auch rote Linien für Koalitionsverhandlungen. Die Union werde mit niemandem in ein Bündnis eintreten, »der nicht bereit ist, in der Wirtschaftspolitik und in der Migrationspolitik in Deutschland den Politikwechsel herbeizuführen«. Zugleich versicherte er erneut, er werde keine Koalitionsgespräche mit der AfD führen.

CSU-Chef Markus Söder teilte derweil erneut in Richtung der Grünen aus. Unter Jubel wiederholte Söder seine kategorische Absage an eine Koalition. »Friedrich, du musst dazu nichts machen. Ich mache das schon. Also keine Sorge«, betonte er. Merz hält sich die Option einer Zusammenarbeit mit den Grünen offen. Auch die FDP bekam von Söder eine Absage. »Wenn wir regieren, dann brauchen wir wenig Partner und nicht unendlich viele«, sagte er. »Sorry, lieber Christian Lindner. Die Zeit ist vorbei.«

Kanzler Olaf Scholz gab sich bei seinem Wahlkampfabschluss optimistisch. »Ich glaube nicht an Wunder, sondern an einen Wahlsieg«, sagte Scholz an seinem Wohnort Potsdam. »Ich bin überzeugt, es wird diesmal so sein, dass ganz viele sich erst im Wahllokal entscheiden.« Scholz sagte, er setze darauf, dass viele der SPD beide Stimmen geben, »damit wir stark genug sind und damit die Regierung unter meiner Führung fortgesetzt werden kann«. Auch vom Gewinn seines Direktmandats – in einem Wahlkreis mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) – zeigte er sich überzeugt. Falls Scholz in Potsdam gewinnt, will er die gesamte kommende Legislaturperiode im Bundestag bleiben – auch, wenn er nicht erneut Kanzler wird. nd

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