- Politik
- Mann am Holocaust-Mahnmal angegriffen
Mutmaßlich antisemitische Attacke kurz vor der Bundestagswahl
Der Angriff auf einen Touristen und ein wohl vereitelter Anschlag sorgen für Schrecken. Beide Fälle haben wohl einen antisemitischen Hintergrund.
Berlin. Ein mutmaßlich antisemitischer Angriff auf einen spanischen Touristen am Holocaust-Mahnmal in Berlin hat bundesweit Entsetzen ausgelöst. Der lebensgefährlich verletzte 30-Jährige musste nach der Messerattacke am Freitag notoperiert werden. Sein Zustand ist stabil. Ein 19 Jahre alter anerkannter syrischer Flüchtling sitzt inzwischen als Verdächtiger in Untersuchungshaft. Er wurde wenige Stunden nach der Tat mit blutverschmierten Händen im Umfeld der Gedenkstätte festgenommen.
Bereits am Donnerstag nahmen Einsatzkräfte am Hauptstadtflughafen BER einen 18-jährigen Tschetschenen fest. Er soll einen gleichfalls antisemitisch motivierten Anschlag auf die israelische Botschaft in Berlin geplant haben. Bei einer Wohnungsdurchsuchung in Potsdam fanden Beamte einen sprengstoffähnlichen Gegenstand. Es kam zu fünf weiteren Festnahmen.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, verurteilte den Angriff auf den Touristen als schreckliche Tat. »Die Verachtung der Erinnerung an die Schoa und der Hass auf Juden gehen Hand in Hand mit der fundamentalen Ablehnung unserer westlichen Werte und sind oft der ideologische Kern islamistisch motivierter Täter«, teilte er mit.
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In Frankreich kam es am Samstag zu einer islamistisch motivierten Gewalttat mit einem Toten. Der mutmaßliche Täter hatte am Nachmittag im elsässischen Mulhouse mehrere Menschen bei einem Markt im angegriffen und dabei »Allahu Akbar« (etwa »Gott ist groß« auf Arabisch) gerufen, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Einen Passanten aus Portugal, der einschritt, verletzte der Mann tödlich. Fünf Polizisten und zwei städtische Angestellte der Parkraumüberwachung wurden verletzt, einer von ihnen schwer.
Der mutmaßliche Täter wurde festgenommen und befindet sich in Polizeigewahrsam. Nach ersten Polizeiangaben soll die Tatwaffe bei dem Angriff in der Stadt nahe der Grenze zu Baden-Württemberg ein Messer gewesen sein. Der Mann ist laut Innenministerium ein 37-jähriger, ausreisepflichtiger Algerier. Er soll demnach wegen Terrorverherrlichung verurteilt worden sein und psychische Probleme haben. Auch drei weitere Menschen kamen in Polizeigewahrsam, zwei von ihnen aus dem familiären Umfeld des Täters.
Der mutmaßliche Angreifer in Berlin stammt aus Syrien. Der Mann sei vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt und nicht ausreisepflichtig gewesen, teilte das sächsische Innenministerium mit. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur lebte er in einer Gemeinschaftsunterkunft in Leipzig, die am Samstag durchsucht wurde.
Mit dem mutmaßlichen Ziel, Juden zu töten, soll er im Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals in Berlin auf den Besucher aus Spanien von hinten eingestochen haben. Die Berliner Staatsanwaltschaft geht auch mit Blick auf den Tatort von einem antisemitischen Motiv aus. Zudem soll eine religiöse Motivation bestanden haben. Demnach hatte der Mann neben dem Messer als mutmaßlicher Tatwaffe einen Koran, einen Zettel mit Versen daraus sowie einen Gebetsteppich in seinem Rucksack dabei.
»Nach bisherigen Ermittlungen und dem aktuellen Kenntnisstand sollen Zusammenhänge mit dem Nahost-Konflikt bestehen«, teilte die Berliner Staatsanwaltschaft mit. Nach dem Angriff der islamistischen Terrormiliz Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel war die israelische Armee in den Gazastreifen einmarschiert. Dort wurden im Verlauf des Krieges Zehntausende Palästinenser*innen getötet.
Das Mahnmal für die ermordeten Juden in Europa erinnert in der historischen Mitte Berlins an die sechs Millionen Juden, die unter der Herrschaft der deutschen Faschisten ermordet wurden.
In den vergangenen Wochen und Monaten gab es in Deutschland mehrere auch tödliche Angriffe, deren Hintergründe allerdings unterschiedlich waren. Das Thema Migration dominierte daraufhin den Bundestagswahlkampf. So fuhr am 13. Februar ein 24-jähriger Afghane in München mit einem Auto in einen Verdi-Demonstrationszug. Ein zweijähriges Mädchen und seine Mutter starben später im Krankenhaus, mindestens 37 weitere Menschen erlitten teils schwere Verletzungen.
In einem Park in Aschaffenburg griff ein 28 Jahre alter Afghane im Januar ihm offensichtlich unbekannte Menschen mit einem Messer an. Ein zweijähriger Junge marokkanischer Herkunft und ein 41-jähriger Deutscher starben. Kurz vor Weihnachten war zudem ein 50-jähriger Arzt aus Saudi-Arabien mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gerast. Sechs Menschen kamen ums Leben, knapp 300 wurden verletzt. Der Mann lebt seit Langem in Deutschland und hatte einen Aufenthaltstitel.
Bei dem Verdächtigen, der am Freitagabend am BER festgenommen wurde, handelt es sich den Angaben der Behörden zufolge um einen Tschetschenen, der in Potsdam lebte. Er kam in Untersuchungshaft. Er soll einen politisch motivierten Anschlag auf die israelische Botschaft in Berlin geplant haben, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Ermittlerkreisen erfuhr. Demnach wollte er vom BER aus Deutschland verlassen, um sich dem IS anzuschließen. Im Zusammenhang der Ermittlungen durchsuchte die Polizei eine Wohnung in Potsdam und fand dabei einen sprengstoffähnlichen Gegenstand. Das Mehrfamilienhaus wurde evakuiert. Der Gegenstand sollte dann entschärft werden. dpa/nd
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