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Überall Ungewissheiten bei den Berlin Volleys
Nachdem überraschenden Aus in der Champions League herrscht Verunsicherung beim Volleyball-Rekordmeister
So richtig glauben konnte es im ersten Moment niemand. Als die SVG Lüneburg im entscheidenden Golden Set ihren vierten Matchball dann doch verwandelte, wurde es plötzlich still in der Max-Schmeling-Halle. Die furiose Aufholjagd der Volleys nach einer 2:3-Niederlage im Champions-League-Hinspiel vor zwei Wochen und einem 1:2-Satzrückstand im Rückspiel am Mittwoch wurde aus Berliner Sicht nicht mit einem Happy End belohnt.
158 Minuten lang hatte sich der deutsche Rekordmeister gegen das Ausscheiden aufgebäumt. Obwohl mit Kapitän Ruben Schott und den Mittelblockern Matthew Knigge und Tobias Krick drei Stammspieler nur teilweise einsatzfähig waren, gelang den Berlinern ein souveräner erster Satzgewinn (25:13). Danach steckten die Volleys auch zwei hart umkämpfte Satzverluste weg (zweimal 23:25), um im vierten (27:25) und fünften (17:15) Spielabschnitt die Hinspielpleite in Lüneburg doch noch zu egalisieren.
Selbst als die SVG im Golden Set mit 14:10 in Führung ging, glaubten die 5211 Zuschauer*innen in der Halle – abgesehen von den gut 100 mitgereisten Lüneburg-Fans – weiter an ein Volleys-Wunder. Erst recht, als Diagonalangreifer Jake Hanes die Berliner mit zwei Schmetterbällen und einem Ass fast im Alleingang noch einmal auf 13:14 heranführte. Doch danach machten die Lüneburger den letzten Punkt des Abends und das Comeback zunichte. »Eigentlich waren wir der Meinung, dass wir das heute hier klarmachen können. Am Ende im sechsten Satz sind alle stehend K.o. und dann gewinnt es die Mannschaft, die weniger Fehler macht und das waren nicht wir«, sagte ein schwer enttäuschter Florian Krage, der zuvor knapp drei Stunden lang alles gegeben hatte, um den Berliner Mittelblock zusammenzuhalten.
Das Aus in der Playoff-Runde der Königsklasse sorgte bei den Volleys für ein ungewohntes Gefühl. »Diese Niederlage tut weh, weil wir uns das erste Mal seit einigen Jahren nicht für das Viertelfinale qualifiziert haben«, gab Berlins Trainer Joel Banks nach dem Marathon-Match zu. In der Spielzeit 2019/20 waren die Hauptstädter das letzte Mal vor der Runde der besten Acht ausgeschieden. In den vergangenen Jahren war zwar immer im Viertelfinale Schluss, aber nach dem großen Kaderumbruch vor der Saison wollten die Volleys eigentlich mal wieder Richtung Halbfinale schielen.
Dass man nun ausgerechnet an einer deutschen Mannschaft gescheitert ist, rüttelt dabei gleich an mehreren Gewissheiten, die sich die Berliner hart erarbeitet hatten. Neben der Tatsache, dass der Status als europäisches Topteam für diese Saison endgültig futsch ist, bröckelt auch die Aura der Unbesiegbarkeit, die die Volleys zumindest in der Bundesliga lange umgab. Nach acht Meisterschaften und zwei Pokalsiegen infolge galten die Hauptstädter fast als unschlagbar, insbesondere wenn es mindestens ein Hin- und Rückspiel gab.
Diese Aura ist nun verflogen, obwohl die Volleys auch in dieser Saison alle ihre 22 Bundesliga-Begegnungen gewonnen haben und schon zwei Spieltage vor dem Ende der Hauptrunde als top gesetztes Team für die Playoffs feststehen. Nach der Champions-League-Niederlage gegen Lüneburg wirken die Berliner Volleyballer allen bisherigen Erfolgen zum Trotz so verwundbar wie schon lange nicht mehr. »Das zeigt uns, dass wir jeden Tag extrem hart arbeiten müssen, dass es eben nicht selbstverständlich ist, dass wir mittlerweile in Deutschland soweit sind, dass wir uns nicht zurücklehnen können«, warnte Florian Krage am Mittwochabend.
Ausgerechnet zu Beginn der heißen Saisonphase drohen die Volleys den Rhythmus zu verlieren. Die Krankheitswelle im Team ist eine Erklärung, doch auch Lüneburg musste in Lorenz Karlitzek einen wichtigen Spieler ersetzen. Ohne Kapitän Ruben Schott fehlt es den Berlinern sowohl in der Annahme als auch im Angriff an Sicherheit. Das zeigte sich insbesondere im zweiten Satz, als eine 18:14-Führung durch einen 7:1-Lauf der Lüneburger leichtfertig aus der Hand gegeben wurde. Nach dem Spiel bezeichnete Joel Banks diesen Moment als Knackpunkt der gesamten Partie. »Wir müssen das erst mal sacken lassen«, gab der Brite nach dem Ausscheiden zu.
Viel Zeit bleibt dem Trainer und seinem Team dafür nicht. Schon am Wochenende steht in Mannheim das Pokalfinale gegen Düren an. »Wir müssen diesen Schlag wegstecken, in den Spiegel schauen und uns dann neu fokussieren, weil wir am Sonntag das nächste Ziel vor Augen haben«, forderte der 49-Jährige, der in dieser Woche selbst etwas Verunsicherung ins Umfeld der Volleys brachte, als bekannt wurde, dass er ab Sommer die Niederlande trainieren wird. Doppelfunktionen als Klub- und Nationaltrainer sind im Volleyball zwar nicht ungewöhnlich, doch Stand jetzt endet Banks Arbeitspapier bei den Berlinern nach der Saison. Auch deshalb wird es höchste Zeit, dass sich die Volleys im Pokalfinale am Sonntag ein wenig alte Gewissheit zurückholen.
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