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Dresden: Wenn der Fährmann nicht mehr überholt
Im Nahverkehrsnetz der Stadt drohen massive Einschnitte. Linke Stadträte strengen Bürgerbegehren dagegen an
Der Ruf »Fährmann, hol über!« ist in Dresden-Johannstadt überflüssig. Sobald Fahrgäste an einem der Anleger beiderseits der Elbe auftauchen, macht sich »Johanna« auf den Weg. Die kleine Fähre pendelt, wenn nicht gerade Hochwasser ist, zuverlässig über den Fluss; sie ist bei Einheimischen ebenso populär wie bei Touristen, die bei der Überfahrt den Blick auf die Altstadt-Silhouette genießen. Wie lange sie das noch können, ist aber offen: Der Johannstädter Fährverkehr droht eingestellt zu werden.
Die »ersatzlose Streichung« dieser und einer weiteren Fährverbindung im Stadtteil Laubegast sind Teil eines Sparprogramms für die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB). Der mit Vertretern der Kommunalpolitik besetzte Aufsichtsrat des stadteigenen Unternehmens hat im Dezember eine zehnprozentige Kürzung des Angebots beschlossen. Konkrete Details stehen am 20. März im Stadtrat zur Debatte. Es drohen gravierende Einschnitte: die Einstellung oder Verkürzung von Bus- und Bahnlinien, eine Ausdünnung des Fahrplans, Stellenabbau. Zwei Bergbahnen unweit der Elbbrücke Blaues Wunder könnten im Winter stillgelegt werden.
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Auslöser für den drohenden Kahlschlag ist ein Finanzloch von 18 Millionen Euro. Als Gründe für diese »unverschuldete Finanzierungslücke« nennen die DVB eine »nicht auskömmliche Gegenfinanzierung« des Deutschlandtickets, stark gestiegene Treibstoffkosten und die Tarifentwicklung. Insgesamt ist die Rede von einem »rasanten Anstieg der Kosten«. Das Unternehmen verweist auf vergleichbare Probleme bei allen kommunalen ÖPNV-Unternehmen und betont, Unternehmen und Stadt könnten den Fehlbetrag nicht allein aufbringen; notwendig sei Hilfe von Bund und Land.
Weil diese allerdings nicht in Aussicht steht, wollen Teile des Stadtrats ein Angebot ausdünnen, das bisher bundesweit mustergültig ist. Bei einem alljährlich erhobenen Nahverkehrs-Kundenbarometer belegten die DVB im Jahr 2024 den ersten Platz unter 44 Verkehrsunternehmen in Deutschland und Österreich. 95 Prozent aller Befragten in der Stadt äußerten sich zufrieden mit dem Angebot, das an Werktagen im Schnitt von 606 000 Kunden genutzt wird, während des Striezelmarktes im Advent gar von einer Dreiviertelmillion. Derzeit besitzen 37,5 Prozent aller Dresdner eine Monatskarte. Als wesentliche Gründe dafür gelten der Zehn-Minuten-Grundtakt auf wichtigen Linien sowie das dichte Linien- und Streckennetz.
Dass es dieses noch gibt, ist bürgerschaftlichem und politischem Druck geschuldet, sagt Tilo Kießling, Stadtrat der Linken. Deren Vorgängerpartei PDS initiierte 1994 und 1997 zwei Bürgerbegehren, um einen Kahlschlag beim ÖPNV zu verhindern. Sie führten langfristig dazu, dass die Stadt der DVB den Rücken stärkte. Allerdings sei »ein Ringen« zwischen Nahverkehrs- und Autobefürwortern »stets zu spüren gewesen«. Mit der Stadtratswahl vom Juni 2024, die konservative und rechte Kräfte stärkte, gewannen letztere die Oberhand.
»Die Verkehrswende wäre tot, bevor sie überhaupt begonnen hat.«
Petition gegen Kürzungen bei der DVB
Nach Ansicht Kießlings wollen diese die Finanzprobleme der DVB für eine politische Kurskorrektur nutzen. Der Abgeordnete spricht von einer »fingierten Notsituation«, die leicht behoben werden könnte, indem »Übergewinne« des kommunalen Energieversorgers Sachsen Energie an den Nahverkehrsbetrieb überwiesen werden. Das lehnten Teile des Stadtrats aber aus politischen Gründen ab.
In dem Streit sollen nun die Bürger mitentscheiden. Kießling und seine Fraktionskollegen Jens Matthis und André Schollbach haben ein Bürgerbegehren gestartet, um das »Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs ... mindestens auf dem im Jahr 2024 bestehenden Niveau« zu erhalten. Für einen Erfolg müssen binnen drei Monaten 21 500 Bürger unterschreiben. Macht der Stadtrat sich das Anliegen danach nicht zu eigen, muss bis September ein Bürgerentscheid stattfinden. Ein von denselben Stadträten 2008 angestoßenes Bürgerbegehren zur Rettung zweier städtischer Krankenhäuser zeige die Wirksamkeit des Instruments, sagt Matthis: »Da gab es seither keine Versuche einer Privatisierung mehr.«
Das Vorhaben ist nicht unrealistisch. Eine Petition zum Thema trägt bereits mehr als 32 000 Unterschriften. Dort werden die Kürzungen bei der DVB nicht zuletzt aus verkehrspolitischen Gründen abgelehnt. Die Stadt habe beschlossen, dass bis zum Jahr 2035 drei Viertel aller Wege zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV zurückgelegt werden. Ohne dichtes Bus- und Bahnnetz sei das unmöglich: Dann wäre »die Verkehrswende tot, bevor sie überhaupt begonnen hat«.
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