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Bosnien und Herzegowina: Brenzlige Lage
In Bosnien-Herzegowina spitzt sich die politische Krise immer weiter zu
Das Dayton-System zerfällt in Bosnien-Herzegowina vor laufenden Kameras. In den vergangenen Tagen spitzte sich die Staatskrise zu, denn am Mittwoch wurden der Präsident der Republika Srpska (RS), Milorad Dodik, und zwei weitere Offizielle der Entität mit Haftbefehl vorgeladen.
Die drei blieben in Banja Luka, dem Regierungssitz der Republika Srpska. Sie antworteten der Zentralregierung in Sarajevo auf ihre Weise: mit einem Entwurf für eine neue Verfassung. Der hat es in sich. So sollen der vor allem von Serben bewohnte Landesteil mehr Kompetenzen erhalten und gesamt-bosnische Institutionen dort nicht länger anerkannt werden.
Von 83 Abgeordneten der Teilrepublik stimmten 50 für den Entwurf, der nun den parlamentarischen Weg nimmt. Wann und ob das neue Grundgesetz verabschiedet wird, ist unklar, denn es bräuchte auch Stimmen der Opposition. Deren Vertreter übten scharfe Kritik, weil man in ihren Augen mit der vorgelegten Verfassung mehr verliere, als man gewinnen könne.
Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hat ernste Bedenken. Das Vorhaben sei »skandalös«. Außerdem warnte die OSZE, dass damit direkt gegen die verfassungsmäßige Ordnung Bosnien-Herzegowinas verstoßen werde. Das vorgeschlagene Dokument sei ein gefährlicher Versuch, »den rechtlichen Rahmen des Staates zu untergraben, die institutionelle Integrität zu schwächen und die politischen Spaltungen zu verstärken«.
Damit bezieht sich die Organisation auf die Struktur, die 1995 durch das Dayton-Abkommen etabliert wurde. Unter Vermittlung der USA, Russlands und der EU verankerte es eine Machtteilung zwischen der bosnischen, der serbischen und der kroatischen Bevölkerungsgruppe. Es beendete den Bosnienkrieg (1992–1995), schuf aber ein hochkomplexes und dysfunktionales Staatswesen, das das Land de facto unter ausländische Kontrolle stellt, zugleich ethnische Grenzen vertieft und nationalistische, korrupte Eliten hervorbringt.
Dodik ist ein Produkt des Dayton-Systems. Er wurde einst von den Vereinigten Staaten und mithilfe ihrer Agentur USAID als weniger chauvinistische Alternative aufgebaut. Seine Macht wusste er zu nutzen. Dodiks Vermögen soll sich im dreistelligen Millionenbereich bewegen. Sein Netzwerk verknüpft Politik, Wirtschaft und organisierte Kriminalität. Legitimation verschafft er sich mit harter nationalistischer Rhetorik gegenüber Sarajevo und dem dort residierenden Vertreter des Westens, dem CSU-Politiker Christian Schmidt. Washington hat den RS-Präsidenten wegen Separatismus und seines dubiosen Reichtums mit Sanktionen belegt.
Wenn Dodik mehr Macht nach Banja Luka verlagern will, hat dies handfeste Gründe. Im Majevica-Gebirge an der Grenze zu Serbien werden Lithiumvorkommen vermutet. Den begehrten Rohstoff will sich die RS sichern, doch auch Sarajevo erhebt darauf Ansprüche. Es ist eine der vielen offenen Fragen des Dayton-Vertrags. Zugleich begründen beide Konfliktparteien ihr Vorgehen mit der nach der US-Stadt benannten Übereinkunft. Dabei weist Dodik, nicht zu Unrecht, darauf hin, dass Christian Schmidt die notwendige Legitimation für das Amt des Hohen Repräsentanten fehlt. Dieser wurde vom Westen installiert, ohne die notwendige Zustimmung Russlands, zu dessen Führung Dodik engen Kontakt unterhält.
Die aktuelle Krise hatte sich bereits seit Längerem angekündigt. Schmidt agiert mit autoritärem Gebaren und zugunsten der rechtsnationalen Kroaten. Dodik wiederum zog die Serben schrittweise aus den gesamtstaatlichen Institutionen ab – verbunden mit der Drohung, die RS in die Eigenstaatlichkeit zu führen, sollte diese nicht mehr Autonomie erhalten. Auch erklärte er immer wieder Bosnien-Herzegowina für tot. Jüngst war es wieder soweit, nachdem Dodik am 26. Februar verurteilt wurde wegen der Missachtung des Hohen Repräsentanten und des Verfassungsgerichts, nachdem die Serben es verlassen hatten. Das Urteil lautete auf ein Jahr Haft und ein mehrjähriges Politikverbot.
In der RS reagierte man umgehend: Die bosnischen Justiz- und Strafverfolgungsbehörden wurden verbannt. Das Verfassungsgericht in Sarajevo kassierte das entsprechende RS-Gesetz tags darauf. Die EU-Mission Eufor Althea, an der auch die Bundeswehr beteiligt ist, wurde mit Reservetruppen aus Tschechien, Rumänien und Italien verstärkt. Am Montag sicherte Generalsekretär Mark Rutte bei einem Besuch in Sarajevo die Unterstützung der Nato zu.
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