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Deutsche Polizeihilfen für die Festung Algerien
Ausbildung und Ausstattung für repressives Grenzregime
Polizeiliche Ausbildungs- und Ausstattungshilfen für Drittstaaten gehören seit Jahren zum Repertoire der europäischen Vorverlagerung von Grenzen. Auch die Bundesregierung mischt dabei mit. Hauptempfänger solcher Maßnahmen seitens deutscher Polizeibehörden waren bislang osteuropäische Länder wie Bosnien-Herzegowina, aber auch Tunesien oder Ägypten in Nordafrika. Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Clara Bünger der Partei Die Linke hervorgeht, hat Berlin nun auch seine Polizeikooperation mit dem autoritär regierten Algerien ausgeweitet – einem Schlüsselland in der Region für die Flucht und Migration in Richtung Europa und Nordafrika.
Im Zentrum der »Ausbildungs- und Ausstattungshilfen« der Bundespolizei in Algerien steht die sogenannte Urkunden- und Dokumentensicherheit. Dazu führte die Bundespolizei seit 2022 zehn Ausbildungsmaßnahmen zugunsten der algerischen Grenzpolizei und der Generaldirektion für Nationale Sicherheit (DGSN) durch. Fünf davon erfolgten »multinational«, also zusammen mit Behörden aus anderen Staaten, fünf weitere ausschließlich für die DGSN, heißt es in der Antwort. Der Fokus lag auf Migrationsabwehr: Die Lehrgänge dienten der Erkennung gefälschter oder unvollständiger Dokumente oder zur Erstellung eines Ausbildungsprogramms für »Begleitbeamte« für Abschiebungen.
Begonnen hatte die migrationspolitisch motivierte Polizeikooperation zwischen Berlin und Algier schon 2014. Damals empfing die Bundespolizei eine Delegation der algerischen Grenzpolizei am Flughafen in Frankfurt am Main, führte Schulungen für 120 algerische Beamte zum Thema Urkundenkriminalität durch und leistete Ausstattungshilfen. 2018 und 2019 organisierte die Bundespolizei weitere sieben Lehrgänge für Grenzpolizei und DGSN und belieferte diese mit Dokumentenprüfgeräten und Wärmebildkameras. Pandemiebedingt pausierte die Kooperation bis 2022.
Eigentlich gilt Algerien in Sachen formeller Kooperation in der Migrationsabwehr mit der EU oder EU-Mitgliedstaaten als äußerst zurückhaltend und hat sich im Gegensatz zu den Nachbarländern beinahe konsequent aus EU-finanzierten Grenzmanagementprojekten ferngehalten. Jüngst aber hat das Regime unter Präsident Abdelmajid Tebboune eine Kehrtwende eingeleitet, die im Januar in der Unterzeichnung einer Abmachung zu polizeilicher Ausbildungskooperation mit Italien mündete.
Algier reagiert damit nicht nur auf die 2023 ins offen Repressive umgeschlagene Migrationspolitik in Tunesien und ein daraus resultierendes Ausweichen vieler Menschen auf die Route über Algerien. Die Regierung will zunehmend auch irreguläre Ausreisen der eigenen Staatsbürger unterbinden. Bereits seit 2021 verschärften die Behörden dazu schrittweise ihre Migrationskontrolle.
Während immer öfter algerische »Harraga« – so der Begriff für jene, die die Grenze nicht respektieren sondern »verbrennen« – an Stränden oder auf See abgefangen werden, gehen auch die berüchtigten Massenabschiebungen von Geflüchteten in den Niger unbeirrt weiter. Allein 2024 seien mindestens 31 404 Menschen von algerischen Behörden in die Wüste an der Grenze zum Niger ausgewiesen worden, so das Aktivistennetzwerk Alarme Phone Sahara, das seit Jahren Abschiebungen aus Algerien und anderen Ländern in Subsahara-Staaten dokumentiert.
Deutschlands zweifelhafter Beitrag zur Aufrüstung des algerischen Grenzregimes ist derweil auch privatwirtschaftlicher Natur. Seit den 2010er Jahren sind mehrere deutsche Firmen an Montagefabriken für polizeiliche Ausrüstung und Militärgüter in Algerien beteiligt. Während Rheinmetall in Constantine Radpanzer montieren lässt, produziert eine Fabrik in Westalgerien Sensortechnik für die ebenfalls in Deutschland ansässige Firma Hensoldt. In drei Fabriken in Tiaret, Algier und Constantine laufen außerdem Daimler-Fahrzeuge für Polizei und Militär vom Band. Algeriens Polizeiapparat ist weitläufig mit Kleintransportern und der geländefähigen G-Klasse ausgerüstet, die Armee mit modernen Lkw von Daimler.
»Mit der deutsch-algerischen Polizeikooperation fällt die Bundesregierung aber auch all jenen in den Rücken, die sich für die Demokratisierung der algerischen Gesellschaft einsetzen«, erklärt die Linkspolitikerin Clara Bünger gegenüber »nd«. Waffen, Fahrzeuge und Überwachungstechnologie würden nicht nur gegen Geflüchtete eingesetzt, sondern können auch genutzt werden, um Proteste im Inneren zu unterdrücken, so die Fragestellerin.
In der Tat werden Daimler-Fahrzeuge nicht nur für Verhaftungs- und Abschiebeprozeduren gegen Flüchtende genutzt. Für die polizeiliche Niederschlagung des Aufstandes der Protestbewegung Hirak zwischen 2019 und 2021 waren ebenjene Lastwagen zentral für die Restaurierung des autoritären Regimes, das seither wieder unangefochten das Land regiert.
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