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Sträflicher Umgang mit der Kriminalstatistik
Einschätzungen der Innenministerin zu tatverdächtigen Migranten beruhten auf falschen Berechnungen
Als Politikerin, die Probleme mit kriminellen Ausländern offen anspricht, inszenierte sich am 10. März Brandenburgs Innenministerin Katrin Lange (SPD). Der Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger sei überproportional, da der Ausländeranteil in Brandenburg lediglich 7,5 Prozent betrage. »Ja, das ist ein Problem«, sagte Schneider. Und: »Nein, die Innenministerin gedenkt nicht, darum herumzureden.«
Das Problem bei ihren angeblich so mutigen Tiraden: Die vorgelegte Kriminalitätsstatistik 2024 enthielt schlicht und einfach Fehler und musste zurückgezogen werden. Am Freitag nun wurde die überarbeitete Version veröffentlicht. Und siehe da: Statt knapp 14 Prozent der in Brandenburg lebenden nicht deutschen Männer werden nur sechs Prozent einer Straftat verdächtigt, wie der Sender RBB umgehend berichtete. Auch sei ursprünglich behauptet worden, dass in Brandenburg lebende Ausländer viermal öfter tatverdächtig wären als deutsche Staatsbürger. Tatsächlich seien sie aber nur zweimal so oft tatverdächtig. Die ersten Berechnungen des Landeskriminalamts seien falsch gewesen, weil es auch Tatverdächtige, die nicht in Brandenburg leben, mitgezählt und ins Verhältnis zur Wohnbevölkerung gesetzt habe. So seien etwa auch Tatverdächtige, die an der polnischen Grenze und am Flughafen BER in Schönefeld festgestellt wurden, mit in die Statistik eingegangen.
Es fällt dem Linke-Landesvorsitzenden Sebastian Walter schwer, angesichts des Agierens der Innenministerin »kein politisches Kalkül zu vermuten«. Die Ministerin, die angeblich nichts unter den Teppich kehren wollte, würde nun die erheblichen Fehler in der Statistik »sehr gern unter den Teppich kehren«, meint Walter. Doch er möchte ihr das nicht durchgehen lassen: »Geht’s noch, Frau Lange? Woanders müssten Sie dafür Ihren Hut nehmen!« Das Mindeste, was Brandenburger mit Migrationshintergrund jetzt erwarten könnten, sei eine öffentliche Entschuldigung der Ministerin dafür, dass sie mit einer amtlichen Statistik und deren öffentlicher Darstellung ganz persönlich einen aktiven Beitrag zu Stigmatisierung und Vorurteilen geleistet habe, sagt Walter. Katrin Lange müsste nunmehr solchen Vorurteilen und dem daraus resultierenden Hass aktiv und bei jeder Gelegenheit entgegentreten, fordert Walter.
Bereits am 15. März hatte die scheidende Grünen-Landesvorsitzende Hanna Große Holtrup gesagt: »Geflüchtete sind weder kriminell noch ein Unsicherheitsfaktor.« Und: »Frau Lange, was Sie da verbreiten, das ist rassistisch.« Da hatte das Innenministerium noch behauptet, alle bei der Pressekonferenz am 10. März »verwendeten Daten sind korrekt, alle Einschätzungen bleiben gültig«. Nun sind in der Neufassung aber auch Einschätzungen abgeschwächt und manche Passagen ganz gestrichen worden, wie der Sender RBB berichtet.
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