Mehr als nur »Soft Power«

Hinter USAID steckt weit mehr als der nette Anstrich, der die Organisation umgibt

  • Max Böhnel
  • Lesedauer: 4 Min.
Wohltätigkeit ist bei USAID oft nur Fassade für politische Einflussnahme.
Wohltätigkeit ist bei USAID oft nur Fassade für politische Einflussnahme.

Schulen, Impfprogramme, Arzneimittel, Medien, Alphabetisierungsinitiativen – die Liste ist unvollständig – existieren in den ärmsten Ländern der Welt nicht mehr, seit die US-Regierung der US-Entwicklungsbehörde USAID im Februar den Garaus machte. Die Folgen sind entsetzlich. Allein im Gesundheitsbereich sind einem der letzten Memos der Behörde zufolge 18 Millionen zusätzliche Malaria-Fälle mit 166 000 Toten zu erwarten. Eine zusätzliche Million Kinder werden Hunger leiden sowie weitere 200 000 an Polio-Lähmungen. Auch diese Liste ist unvollständig.

USAID sei »schon vor langer Zeit von seiner ursprünglichen Mission abgewichen, deshalb waren die Gewinne zu gering und die Kosten zu hoch«, begründete der neue US-Außenminister Marco Rubio die Auflösung der seit 64 Jahren bestehenden Behörde. Dank Präsident Donald Trump sei »diese fehlgeleitete und finanziell unverantwortliche Ära« nun vorbei. Die Entwicklungshilfeprogramme der USA würden neu ausgerichtet, »um sie direkt mit dem in Einklang zu bringen, was für die Vereinigten Staaten und unsere Bürger am besten ist«. America first in Reinkultur.

USAID auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs gegründet

Die 1961 gegründete Organisation war von Präsident John F. Kennedy auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges ins Leben gerufen worden mit dem Ziel, ein Gegengewicht gegen die befürchtete wirtschaftliche und politische Einflusszunahme der Sowjetunion in Lateinamerika, Afrika und Asien zu schaffen. Doch die Ergebnisse waren schon Ende des ersten Jahrzehnts unbefriedigend, gerade angesichts des Vietnamkriegs. Modernisierung von Infrastruktur und Landwirtschaft mochten sich auch in anderen von USAID »geförderten« Ländern nicht einstellen. In den 1970er Jahren erfolgte unter der Regierung Jimmy Carters und unter dem Druck des US-Kongresses ein Prioritätenwechsel hin zu Nahrungsmittelhilfen, Wohnungs- und Bildungsprojekten.

Zehn Jahre später verwandelte sich USAID unter dem Deregulierungsdiktat der Reagan-Regierung zu einem quasi marktwirtschaftlichen Unternehmen: Die USA begannen mit dem Outsourcing von Entwicklungshilfegeld, wovon US-Firmen profitierten. Laut Sozialwissenschaftler Christian Ruth, der USAID untersucht, ließ das Interesse der USA an Entwicklungshilfe nach dem Ende des Kalten Krieges nach, und USAID kreierte mit »Demokratieförderung« in Osteuropa und nachhaltiger Entwicklung eine neue Prioritätensetzung. Mit der Auflösung von USAID werde laut Ruth nun »der chinesische Einfluss in armen und Ländern mit mittleren Einkommen wachsen«.

USAID-Programme sollen globalen Einfluss steigern

Die Bestrebungen von USAID waren wie Entwicklungshilfeprogramme anderer Länder zu keinem Zeitpunkt humanitärer Natur, sondern immer auch interessen- und machtorientiert. Dafür prägte 1990 der US-Politikwissenschaftler Joseph Nye den Begriff »Soft Power«. USAID-Entwicklungsprojekte würden das Vertrauen in die USA erhöhen und »wirtschaftliche Offenheit« fördern, wodurch der globale Einfluss der USA wachse.

Dass »Soft Power« oft in Kombination mit beziehungsweise als begleitendes Element von »Hard Power«, inklusive Drohungen und militärischer Gewalt, ihre Wirksamkeit entfaltet, verkörperte die spätere Leiterin von USAID in der Biden-Regierung Samantha Power. Im außenpolitischen Fachblatt »Foreign Affairs« argumentierte sie mitten in der Corona-Pandemie im November 2020, die USA würden ihren globalen Führungsstatus am besten dadurch aufbessern, »indem sie Ländern in größter Not weltweit beistehen«.

Corona-Pandemie wird zum Soft-Power-Wettbewerb mit China

Gerade die Pandemie böte dazu eine goldene Gelegenheit, um China im größten Soft-Power-Wettbewerb seit Generationen zu schlagen. Jahre davor hatte sich Power als Hardlinerin einen Namen gemacht. In den 1990er Jahren trug sie als Journalistin maßgeblich dazu bei, dass die Clinton-Regierung Jugoslawien zu bombardieren begann. In ihrem preisgekrönten Buch »A problem from Hell« stellte sie die USA als »unverzichtbare« Nation mit weltweit moralischem Auftrag dar. In der Obama-Regierung war sie im Nationalen Sicherheitsrat wie auch UN-Botschafterin.

Sie propagierte »humanitäre Interventionen« und befürwortete 2011 die Bombardierung von Libyen. Dann reiste sie nach Westafrika, um auf die Ebola-Epidemie aufmerksam zu machen. Bei der Senatsanhörung zu ihrer Bewerbung für den Posten als USAID-Chefin im März 2021 sagte sie: »Gesundheitliche Infrastruktur, wirtschaftlicher Wohlstand, die Eindämmung von Extremismus und Radikalisierung, Entwicklung und Diplomatie müssen neben unseren Verteidigungsanstrengungen mit Mitteln ausgestattet werden und Priorität haben.«

In Kuba operierte USAID verdeckt

Dass USAID außenpolitischen Interessen der USA diente und dabei gelegentlich auf Widerstand bei den betroffenen Regierungen stieß, wurde schon kurz nach seiner Gründung deutlich. Ägypten, Indonesien und Kuba beendeten die Zusammenarbeit wegen »Einmischung«. Es folgten Sudan, Indien und Iran in den 1970er Jahren. Neuere Fälle waren Venezuela, Russland, Bolivien, Ecuador, Pakistan, Afghanistan und Äthiopien.

In mindestens einem Fall, nämlich Kuba, operierte USAID verdeckt. Es ging um den Aufbau eines unabhängigen Nachrichtendienstes im Stil von Twitter namens ZunZuneo zwischen 2009 und 2012. Ziel war es, über eine harmlose SMS-Plattform zunächst eine große Nutzerbasis aufzubauen, um später regimekritische Inhalte zu verbreiten und für einen »kubanischen Frühling« mit Massendemonstrationen zu sorgen und den Sturz des Regimes herbeizuführen. Die Plattform wurde geheim betrieben, ohne dass die Nutzer wussten, dass sie von der US-Regierung finanziert wurde. Als die Finanzierung auslief und Bedenken über die Geheimhaltung wuchsen, wurde ZunZuneo 2012 schlagartig eingestellt.

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