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Haifischbecken und Paradies
Ein Buch über deutschsprachige Künstler im gegenwärtigen Hollywood könnte spannend sein: Wie unterschiedlich waren die Wege aus der kleinteiligen und oft auch kleingeistigen hiesigen Filmlandschaft in die amerikanische Kinometropole? Wie stark muss man sich anpassen, um Fuß zu fassen - oder kann man gerade in den USA seine ureigenen Träume verwirklichen? Gibt es so etwas wie eine »German Connection«? Und schließlich: Welche Themen, welche Stile suchen sich deutschsprachige Filmemacher aus, um in Hollywood zu reüssieren?
Viele dieser Fragen reißt Heiko R. Blum in seiner neuen Publikation »Meine zweite Heimat Hollywood« an. So erzählt der Kameramann Michael Ballhaus, was ihn vor allem gereizt habe, nach »drüben« zu gehen, Komponist Hans Zimmer informiert über seine Zusammenarbeit mit Steven Spielbergs Shoah-Foundation und widerspricht Klischeevorstellungen: »Haifischbecken? - Ich habe noch nie so viel Loyalität und Freundschaft gefunden wie in Hollywood.« Regisseur Wolfgang Petersen reflektiert seine einstigen Probleme: »Viele Projekte, die da auf mich zugekommen sind, waren Luftblasen.« Und Armin Mueller-Stahl schwärmt von der Geschichtsträchtigkeit seiner neuen, zweiten (oder dritten?) Heimat: »In der Ecke, wo ich in Los Angeles lebe, da haben Thomas Mann, Feuchtwanger, Schönberg, Adorno und Heinrich Mann gelebt. Man fühlt sich da verpflanzt in eine andere Zeit.« Insgesamt achtzehn Künstler hat Heiko R. Blum ausführlich porträtiert, von der »grauen Eminenz« Wim Wenders bis zu Franka Potente und Til Schweiger. Einen Teil dieser Texte legte er als Mischform aus Porträt und Interview an; fünf Artikel - u.a. zu Nastassja Kinski, Jürgen Prochnow, Arnold Schwarzenegger - müssen allerdings ohne Gesprächsteil auskommen. Das weist auf ein Dilemma des Buches hin: Es scheint unter Hast zusammengestellt; die Interviews, vermutlich nur selten gezielt für den Band, sondern oft für andere Gelegenheiten geführt, münden häufig ins Ungefähre, Beliebige, Tagesaktuelle.
Das Buch enthält atmosphärische Details, aber kaum analytische Resümees. Schade, dass der Autor in seiner Einleitung nicht zum Beispiel untersuchte, ob es Gemeinsamkeiten in jenen Stoffen gibt, zu denen deutsche Regisseure gern tendieren: Warum drehen ausgerechnet Deutsche die patriotischsten US-amerikanische Filme; was eint, was unterscheidet Wolfgang Petersen, Roland Emmerich und Uli Edel? Gibt es in deren Produktionen bewusste und un(ter)bewusste Parallelen zum Kino der Weimarer Republik und des Dritten Reiches? Bringen deutsche Schauspieler etwas Besonderes in ihre Rollen ein, wenn sie sowohl abgrundtiefe Bösewichter - wie Udo Kier - oder jüdische Charaktere - wie Armin Mueller-Stahl - darstellen? Auf solche Problembeschreibungen lässt sich Blum nicht ein; stattdessen fasst er noch einmal die ganze lange Vergangenheit zusammen und skizziert, was deutschsprachige Filmkünstler von Ernst Lubitsch und Fritz Lang über Marlene Dietrich bis Jürgen Prochnow in und für Hollywood leisteten.
Die inhaltliche Oberflächlichkeit dieses Einführungsaufsatzes korrespondiert mit stilistischen Schludereien und Flüchtigkeitsfehlern. Nicht Frederick Hollaender (der zu dieser Zeit übrigens noch Friedrich hieß), komponierte 1925 die Musik zu »Varieté« (S. 15), sondern Ernö Rapée. Wie Chaplins »King of New York« in die Liste der Anti-Nazi-Propagandafilme der vierziger Jahre gerät (S. 29), bleibt rätselhaft. Dass Otto Preminger »seinen ersten Film in den USA gedreht« hat (S. 43), ist falsch: Premingers Regiedebüt war »Die große Liebe« (1931/ 32), eine deutsch-österreichische Koproduktion; auf Seite 248 steht das dann richtig. Gerhart Hauptmann taucht auf Seite 47 gleich zweimal als »Gerhardt« auf, usw.
Gänzlich abenteuerlich wird es auf der allerletzten Seite des Buches. Unter der Überschrift »Weitere Deutschsprachige Filmkünstler in Hollywood (vorwiegend Emigranten)« werden Dutzende von Regisseuren, Schauspielern usw. aufgelistet, von denen viele aber niemals in den USA gearbeitet haben: Béla Balazs, Kurt Gerron (hier mit nur einem r), Falk Harnack, Erwin Leiser, Lotte Loebinger, Max Mack, Franz Marischka, Karl Paryla, Hertha Thiele, Ladislao Vajda, der Tscheche Vaclav Vich, Helen Vita, Gustav von Wangenheim. Was um Himmels Willen hat den Autor zu einem solchen Durcheinander gebracht? Und was hat den Verlag geritten, das Buch nicht ordentlich zu lektorieren?
Martin Mund
Heiko R. Blum: Meine zweite Heimat Hollywood. Deutschsprachige Künstler in den USA. Hensche...
Viele dieser Fragen reißt Heiko R. Blum in seiner neuen Publikation »Meine zweite Heimat Hollywood« an. So erzählt der Kameramann Michael Ballhaus, was ihn vor allem gereizt habe, nach »drüben« zu gehen, Komponist Hans Zimmer informiert über seine Zusammenarbeit mit Steven Spielbergs Shoah-Foundation und widerspricht Klischeevorstellungen: »Haifischbecken? - Ich habe noch nie so viel Loyalität und Freundschaft gefunden wie in Hollywood.« Regisseur Wolfgang Petersen reflektiert seine einstigen Probleme: »Viele Projekte, die da auf mich zugekommen sind, waren Luftblasen.« Und Armin Mueller-Stahl schwärmt von der Geschichtsträchtigkeit seiner neuen, zweiten (oder dritten?) Heimat: »In der Ecke, wo ich in Los Angeles lebe, da haben Thomas Mann, Feuchtwanger, Schönberg, Adorno und Heinrich Mann gelebt. Man fühlt sich da verpflanzt in eine andere Zeit.« Insgesamt achtzehn Künstler hat Heiko R. Blum ausführlich porträtiert, von der »grauen Eminenz« Wim Wenders bis zu Franka Potente und Til Schweiger. Einen Teil dieser Texte legte er als Mischform aus Porträt und Interview an; fünf Artikel - u.a. zu Nastassja Kinski, Jürgen Prochnow, Arnold Schwarzenegger - müssen allerdings ohne Gesprächsteil auskommen. Das weist auf ein Dilemma des Buches hin: Es scheint unter Hast zusammengestellt; die Interviews, vermutlich nur selten gezielt für den Band, sondern oft für andere Gelegenheiten geführt, münden häufig ins Ungefähre, Beliebige, Tagesaktuelle.
Das Buch enthält atmosphärische Details, aber kaum analytische Resümees. Schade, dass der Autor in seiner Einleitung nicht zum Beispiel untersuchte, ob es Gemeinsamkeiten in jenen Stoffen gibt, zu denen deutsche Regisseure gern tendieren: Warum drehen ausgerechnet Deutsche die patriotischsten US-amerikanische Filme; was eint, was unterscheidet Wolfgang Petersen, Roland Emmerich und Uli Edel? Gibt es in deren Produktionen bewusste und un(ter)bewusste Parallelen zum Kino der Weimarer Republik und des Dritten Reiches? Bringen deutsche Schauspieler etwas Besonderes in ihre Rollen ein, wenn sie sowohl abgrundtiefe Bösewichter - wie Udo Kier - oder jüdische Charaktere - wie Armin Mueller-Stahl - darstellen? Auf solche Problembeschreibungen lässt sich Blum nicht ein; stattdessen fasst er noch einmal die ganze lange Vergangenheit zusammen und skizziert, was deutschsprachige Filmkünstler von Ernst Lubitsch und Fritz Lang über Marlene Dietrich bis Jürgen Prochnow in und für Hollywood leisteten.
Die inhaltliche Oberflächlichkeit dieses Einführungsaufsatzes korrespondiert mit stilistischen Schludereien und Flüchtigkeitsfehlern. Nicht Frederick Hollaender (der zu dieser Zeit übrigens noch Friedrich hieß), komponierte 1925 die Musik zu »Varieté« (S. 15), sondern Ernö Rapée. Wie Chaplins »King of New York« in die Liste der Anti-Nazi-Propagandafilme der vierziger Jahre gerät (S. 29), bleibt rätselhaft. Dass Otto Preminger »seinen ersten Film in den USA gedreht« hat (S. 43), ist falsch: Premingers Regiedebüt war »Die große Liebe« (1931/ 32), eine deutsch-österreichische Koproduktion; auf Seite 248 steht das dann richtig. Gerhart Hauptmann taucht auf Seite 47 gleich zweimal als »Gerhardt« auf, usw.
Gänzlich abenteuerlich wird es auf der allerletzten Seite des Buches. Unter der Überschrift »Weitere Deutschsprachige Filmkünstler in Hollywood (vorwiegend Emigranten)« werden Dutzende von Regisseuren, Schauspielern usw. aufgelistet, von denen viele aber niemals in den USA gearbeitet haben: Béla Balazs, Kurt Gerron (hier mit nur einem r), Falk Harnack, Erwin Leiser, Lotte Loebinger, Max Mack, Franz Marischka, Karl Paryla, Hertha Thiele, Ladislao Vajda, der Tscheche Vaclav Vich, Helen Vita, Gustav von Wangenheim. Was um Himmels Willen hat den Autor zu einem solchen Durcheinander gebracht? Und was hat den Verlag geritten, das Buch nicht ordentlich zu lektorieren?
Martin Mund
Heiko R. Blum: Meine zweite Heimat Hollywood. Deutschsprachige Künstler in den USA. Hensche...
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