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Stolperstein für einen Freund von Ehm Welk
In Königs Wusterhausen wird an fünf Nazi-Opfer erinnert / Max Heilbuts Stein bleibt im Schrank
In Königs Wusterhausen erinnern bisher fünf Stolpersteine an Opfer des Faschismus. Am Sonnabend verlegt der Kölner Künstler Gunther Demnig die nächsten fünf Steine vor zwei Häusern, in denen die verfolgten Menschen einst gelebt haben. Ihre Schicksale wurden im Archiv recherchiert.
Gegen 12 Uhr kommt in die Bahnhofsstraße 23/24 ein Stein für die Jüdin Erna Dörre, kündigte Irmtraut Carl gestern an. Carl ist Vorsitzende des Vereins Kulturlandschaft Dahme-Spreewald, der sich gemeinsam mit der Stadtverwaltung um das Projekt kümmert. In dem Haus an der Bahnhofsstraße hatte Ernas Vater ein Textilgeschäft und darüber lag die Praxis des Zahnarztes Ernst Dörre, den Erna heiratete. Die Nazis nötigten den Doktor 1938, sich scheiden zu lassen. Er verhalf seiner Frau aber zu einer neuen Identität, die er auch nicht verriet, als er ein halbes Jahr lang eingesperrt wurde. Bis Februar 1944 lebte Erna Dörre unter dem falschen Namen Eva Deters, dann wurde sie von der Gestapo verhaftet und schluckte Gift. Ihre Mutter und die Schwestern wurden nach Ausschwitz deportiert und dort umgebracht.
Ernst Dörre war nach der Befreiung Königs Wusterhausens von Mai bis September 1945 erster Nachkriegs-Bürgermeister. Er fand in Dresden das Grab seiner Frau, das er bis zu seinem Tode 1996 pflegte.
Vier weitere Stolpersteine sollen an die Familie Vogel erinnern. Die Steine werden um 11 Uhr im Ortsteil Neue Mühle an der Birkenallee 8/9 verlegt. Der engagierte Gemeindevertreter Wilhelm Vogel hatte das Grundstück 1925 gekauft und darauf ein Haus gebaut. Er war Journalist und mit dem Schriftsteller Ehm Welk befreundet. Dieser verarbeitete Erlebnisse von Vogel in einem seiner Bücher. Die Faschisten drängten auch Wilhelm Vogel, sich von seiner jüdischen Frau Margarethe scheiden zu lassen, doch er weigerte sich standhaft. 1935 gab er das Haus in Neue Mühle hastig auf und zog nach Berlin, weil er hoffte, man werde der Familie in der Anonymität der Großstadt weniger nachstellen. »Wilhelm Vogel starb seelisch gebrochen 1939 in Berlin«, heißt es.
Margarethe Vogel deportierten die Faschisten im Januar 1944 ins KZ Theresienstadt, wo sie jedoch befreit wurde. Auch die Kinder Ursula und Rolf überlebten den Holocaust. Rolf entschied sich für den Journalismus, arbeitete zunächst für die »Stuttgarter Zeitung« und die »Stuttgarter Nachrichten« und berichtete 1960 und 1961 für die »Deutsche Zeitung« über den Adolf-Eichmann-Prozess in Israel.
Bei der Verlegung der vier Stolpersteine in der Birkenallee will Wilhelm Vogels Enkel Martin dabei sein. Um 12.30 Uhr soll im Foyer von Haus 1 der Stadtverwaltung an der Karl-Marx-Straße 23 die Ausstellung »Das haben wir nicht gewusst« eröffnet werden.
Ein bereits fertiger Stolperstein, der für Haus 2 der Stadtverwaltung an der Schlossstraße 3 gedacht ist, wird nicht verlegt. »Er bleibt im Schrank«, sagt Bürgermeister Stefan Ludwig (Linkspartei). Man habe keinen Konsens mit den Angehörigen des jüdischen Zahnarztes Max Heilbut erzielt. Diese möchten nicht, dass der Stolperstein in den Bürgersteig eingelassen wird, und gegen ihren Willen soll nicht gehandelt werden.
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