»Soziologie als Kampfsport«
Zu Werk und Auftrag des kürzlich verstorbenen Denkers Pierre Bourdieu
Was die Sozialwelt hervorgebracht hat, kann die Sozialwelt mit Wissen ausgerüstet auch wieder abschaffen. Eines ist jedenfalls sicher: Nichts ist weniger unschuldig, als den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen« - dieses Zitat, dessen Sprengkraft sich vielleicht erst nach mehrmaligem Lesen und im Kontext der ganzen Arbeit (»Das Elend der Welt«, 1993) erschließt, sowie der in der Schlagzeile zitierte Titel, der einem in Frankreich mit Pierre Bourdieu produzierten Kinofilm entstammt - beides ist bezeichnend für einen höchst originellen Denker und außergewöhnlichen Menschen.
Was kann, was soll Soziologie? - im gesamten Werk Bourdieus werden diese Fragen immer wieder aufgeworfen und auf seine Weise beantwortet. Mitunter kurz und radikal: »Die Soziologie wäre keine Stunde der Mühe wert, sollte sie bloß ein Wissen von Experten für Experten sein.« Pierre Bourdieu hat - im Unterschied zu anderen bekannten Namen seiner Generation - keine eigene geschlossene »Großtheorie« entwickelt, wohl aber die Soziologie als Disziplin ungeheuer befruchtet. Seine aus dem Strukturalismus herausgearbeitete Theorie gesellschaftlicher Felder, die gleichsam als »Mikro-Universen« mit eigenen Regelsystemen fungieren, gehört ebenso dazu wie die Bestimmung unterschiedlicher (ökonomischer, sozialer und kultureller) Kapitalarten in den Beziehungen der Menschen.
Mit der von ihm aufgegriffenen und theoretisch bearbeiteten Kategorie des »Habitus« - die bis in die Körperlichkeit reichende »Verinnerlichung« sozialer Verhältnisse im Menschen - gelang ihm ein überaus produktiver Ansatz: Aus der Dialektik von Struktur, Habitus und Praxis heraus lassen sich - auch empirisch begründbar - zahlreiche Verhaltensweisen, so zum Beispiel politisches Handeln, überzeugend erklären. Bourdieus umfassendste Arbeit zu diesem Thema (»Die feinen Unterschiede«, 1979) wurde zu einem Standardwerk in der modernen Soziologie. Bourdieu war zudem ein eigenwilliger und leidenschaftlich praktischer Forscher. Bescheiden sagte er von sich, dass ihm - wenn überhaupt - originelle theoretische Ideen vor allem in der Praxis kämen, beim Codieren eines Fragebogens etwa, und die eigene Person verglich er oft mit dem Soldaten im Gefecht, »dessen Blick auf die Welt von den vordersten Linien aus eine gänzlich andere als die des Sozialphilosophen auf einem Feldherrnhügel sei«. Er war gegenüber seiner Profession zu keiner Zeit betriebsblind. Als Empiriker zeichnete ihn mindestens dreierlei aus: Gängige Methoden und Techniken - etwa der Meinungsforschung - wurden von ihm immer wieder höchst kritisch in Frage gestellt. Es schien ihm keineswegs selbstverständlich, dass Interviews »wahre Ergebnisse« liefern, wenn man nicht auch die »unsichtbaren Verzerrungen« durch die Situation (und die dabei wirkenden Machtstrukturen) mitdenkt.
Bourdieu warf ferner an zahlreichen Stellen seines Werks das Problem auf, ob denn tatsächlich an die Bürger die »richtigen Fragen« gestellt würden - und welche Fragen es sind, die der offizielle Diskurs verschweigt. Schließlich war Pierre Bourdieu ein Mann, der - obwohl als Forscher hoch geehrt und vom Rang her zur Elite gehörig - in den Lebenswelten der so genannten »einfachen Leute« sein Arbeitsgebiet sah. Er fragte bei Interviews nach dem Arbeitsklima im Betrieb, nach der Miete, nach dem Leben mit Migranten und Migrantinnen oder nach dem Preis für die Möbel. Die Leiden von Menschen, die offenen und die unsichtbaren Bedrängnisse, zum Vorschein zu bringen, darin sah er die vordringliche Aufgabe einer »Soziologie, die stört, weil sie enthüllt«.
Bekannt sind seine Vergleiche zwischen der Tätigkeit des Soziologen und des Arztes, wobei letzterer »die unsichtbaren Krankheiten aufdeckt, also die Dinge, über die der Kranke nicht spricht, weil sie ihm nicht bewusst sind«, während der erstere eine ganz ähnliche Aufgabe hat: Kenntnis und Verständnis des (oft verdeckten) gesellschaftlichen Leidens auf Grund von Armut, Ausgrenzung und Gewalt. Bourdieu, der sich in diesem Zusammenhang übrigens auch profund zum Thema »Terrorismus« äußerte (»Machtmissbrauch im Namen der Vernunft«, 1995), zitierte für sein Credo häufig den Philosophen Gaston Bachelard: »Es gibt keine Wissenschaft ohne das Verborgene« und betonte: »Zur Demokratie gehört eine Forschung, die Ungerechtigkeiten aufdeckt«.
Was kann, was soll Soziologie? Pierre Bourdieu hat sich nicht gescheut, in nahezu allen seinen Arbeiten auf die Machtverhältnisse in der Gesellschaft zu sprechen zu kommen, und er thematisierte - oft weitaus klarer als andere seiner Zunft - die Asymmetrie in diesen Beziehungen, das Vorhandensein von Oben und Unten, von Zensur und Unterdrückung. Dies betraf Untersuchungen im »akademischen Feld«, im Bildungswesen oder die Analysen der Medien, wobei einer seiner Essays (»Über das Fernsehen«, 1998) - bezeichnenderweise als Vortrag im TV präsentiert - breite Debatten auslöste und zu den wirkungsvollsten Beiträgen humanistischer Medienkritik gezählt werden kann. Bourdieu geht dabei sehr weit: Das Fernsehen in seiner gegenwärtigen Verfasstheit stelle - vor allem auf Grund der inneren kommerziellen Logik (Jagd nach Einschaltquoten, Verkürzung der bildgestützten Sequenzen, direkte und indirekte Zensur u. a.) - eine Gefahr für die Verwirklichung von Demokratie in der Gesellschaft dar.
Unbedingt empfehlenswert ist seine Rede, die er 1999 in Paris vor den Spitzen internationaler Medienkonzerne unter dem Titel »Fragen an die wahren Herren der Welt« hielt: Im besten Sinne der Aufklärung stellt Bourdieu seinen Gegenübern "»sokratische« Fragen: »Wissen Sie, in deren Händen die Gesamtheit der Instrumente der Produktion und Distribution kultureller Güter zusammenfließt, wirklich, was Sie tun - mit der Kommerzialisierung der Medienwelt, mit der schrittweisen Liquidierung nationaler Kulturströmungen, mit dem Messen von künstlerischer Innovation am Profit?«
Es war für den Lebensweg Pierre Bourdieus folgerichtig, aber im Vergleich mit zahlreichen Fachkollegen und -kolleginnen keineswegs selbstverständlich, dass er im Verlauf der 1990er Jahre aktiv politische Positionen gegenüber dem Modell des Neoliberalismus und den Gefahren der Globalisierung bezog. Weniger durch seinen Rang, sondern durch seine Arbeit und sein persönliches Engagement wurde er zu einer Leitfigur - eine Bürde, die nicht immer leicht zu tragen war. Sein Name steht weiterhin für ein Auftreten bei den Streiks der Lastkraftwagenfahrer 1995, für die Unterstützung von Bauernprotesten, für die berühmte »Warnung vor dem Modell Tietmeyer« (Gegenfeuer, 1998), für die Gründung von ATTAC und für die schwierigen Bemühungen zur Stärkung neuer sozialer Bewegungen - der Arbeitslosen, der »Prekären«, der Gewerkschaftsaktivisten und anderer.
Bourdieu hat als einer der ersten Wissenschaftler von Rang den Charakter des Neoliberalismus mit aller Schärfe gekennzeichnet: Neoliberalismus ist für ihn eine antihumane Revolution, die im Zuge des Sachzwanges und der scheinbaren Selbstverständlichkeit daher kommt, aber eine Re-Feudalisierung, die Umwertung fast aller Werte und »ein Programm der planmäßigen Zerstörung der Kollektive« beinhaltet. Er spricht im Gegenzug davon, »Voraussetzungen für einen kollektiven Entwurf einer sozialen Utopie zu schaffen, die in gemeinsamen historischen Traditionen und zivilisatorischen Werten wurzelt«. Eine von ihm geforderte »Internationale der Intellektuellen« hätte bei diesem Ringen besondere Verantwortung. Inmitten dieser Kämpfe ist Pierre Bourdieu gestorben, aber nicht wirklich gegangen. Er hinterlässt uns ein kaum überschaubares Netzwerk an Theorie, ein Projekt des Widerstandes gegen den Neoliberalismus und die Vision der Gestaltung eines neuen Europa, viele Anregungen und etliche unbeantwortete Fragen. Er hinterlässt auch - fachspezifische - Botschaften zur Soziologie: Wer in den 1990er Jahren die Soziologie-Kongresse in Deutschland besuchte und bei etwa der Hälfte der behandelten Themen das Gefühl hatte, sich in stratosphärischen Winden aufzuhalten (weit, sehr weit über der Realität!), der erlebt in der Beschäftigung mit Bourdieu etwas ganz anderes. Vielleicht wiederholt sich die Geschichte tatsächlich - auf originelle Weise? Vielleicht können erneut kontinentale Verhältnisse von einem französischen Vertreter der so oft beschworenen »Zweiten Aufklärung« profitieren?
Diese Gedanken und die an den persönlichen Mut des Menschen Pierre Bourdieu machen Hoffnung.
Die im Text verwendeten Zitate sind folgenden Arbeiten Pierre Bourdieus entnommen: Die feinen Unterschiede, 1979; Soziologische Fragen, 1993; Das Elend der Welt, 1993; Über das Fernsehen, 1996; Störenfried Soziologie. In: Wozu heute noch Soziologie ? Ein Streit aus der ZEIT, 1996; Vom Gebrauch der Wissenschaft, 1998; Gegenfeuer, 1998; Fragen an die Herren der Welt, 1999.
Der Autor ist Sozialwissenschaftler, Vorsitzender des FOKUS-Instituts Halle. Kontakt: Falladaweg 9, 06126 Halle, Fon+Fax: D-(0)345-6901249, mail: fokus-halle@t-online.de P: Willy-Lohmann-Str. 9, D-06114 Halle, Fon: D-(0)172-3548059, mail: chrapa@aol.com
(Pierre Bourdieu starb am 24. Januar im Alter von 71 Jahren in Paris an den Folgen einer Krebserkrankung.)
Was kann, was soll Soziologie? - im gesamten Werk Bourdieus werden diese Fragen immer wieder aufgeworfen und auf seine Weise beantwortet. Mitunter kurz und radikal: »Die Soziologie wäre keine Stunde der Mühe wert, sollte sie bloß ein Wissen von Experten für Experten sein.« Pierre Bourdieu hat - im Unterschied zu anderen bekannten Namen seiner Generation - keine eigene geschlossene »Großtheorie« entwickelt, wohl aber die Soziologie als Disziplin ungeheuer befruchtet. Seine aus dem Strukturalismus herausgearbeitete Theorie gesellschaftlicher Felder, die gleichsam als »Mikro-Universen« mit eigenen Regelsystemen fungieren, gehört ebenso dazu wie die Bestimmung unterschiedlicher (ökonomischer, sozialer und kultureller) Kapitalarten in den Beziehungen der Menschen.
Mit der von ihm aufgegriffenen und theoretisch bearbeiteten Kategorie des »Habitus« - die bis in die Körperlichkeit reichende »Verinnerlichung« sozialer Verhältnisse im Menschen - gelang ihm ein überaus produktiver Ansatz: Aus der Dialektik von Struktur, Habitus und Praxis heraus lassen sich - auch empirisch begründbar - zahlreiche Verhaltensweisen, so zum Beispiel politisches Handeln, überzeugend erklären. Bourdieus umfassendste Arbeit zu diesem Thema (»Die feinen Unterschiede«, 1979) wurde zu einem Standardwerk in der modernen Soziologie. Bourdieu war zudem ein eigenwilliger und leidenschaftlich praktischer Forscher. Bescheiden sagte er von sich, dass ihm - wenn überhaupt - originelle theoretische Ideen vor allem in der Praxis kämen, beim Codieren eines Fragebogens etwa, und die eigene Person verglich er oft mit dem Soldaten im Gefecht, »dessen Blick auf die Welt von den vordersten Linien aus eine gänzlich andere als die des Sozialphilosophen auf einem Feldherrnhügel sei«. Er war gegenüber seiner Profession zu keiner Zeit betriebsblind. Als Empiriker zeichnete ihn mindestens dreierlei aus: Gängige Methoden und Techniken - etwa der Meinungsforschung - wurden von ihm immer wieder höchst kritisch in Frage gestellt. Es schien ihm keineswegs selbstverständlich, dass Interviews »wahre Ergebnisse« liefern, wenn man nicht auch die »unsichtbaren Verzerrungen« durch die Situation (und die dabei wirkenden Machtstrukturen) mitdenkt.
Bourdieu warf ferner an zahlreichen Stellen seines Werks das Problem auf, ob denn tatsächlich an die Bürger die »richtigen Fragen« gestellt würden - und welche Fragen es sind, die der offizielle Diskurs verschweigt. Schließlich war Pierre Bourdieu ein Mann, der - obwohl als Forscher hoch geehrt und vom Rang her zur Elite gehörig - in den Lebenswelten der so genannten »einfachen Leute« sein Arbeitsgebiet sah. Er fragte bei Interviews nach dem Arbeitsklima im Betrieb, nach der Miete, nach dem Leben mit Migranten und Migrantinnen oder nach dem Preis für die Möbel. Die Leiden von Menschen, die offenen und die unsichtbaren Bedrängnisse, zum Vorschein zu bringen, darin sah er die vordringliche Aufgabe einer »Soziologie, die stört, weil sie enthüllt«.
Bekannt sind seine Vergleiche zwischen der Tätigkeit des Soziologen und des Arztes, wobei letzterer »die unsichtbaren Krankheiten aufdeckt, also die Dinge, über die der Kranke nicht spricht, weil sie ihm nicht bewusst sind«, während der erstere eine ganz ähnliche Aufgabe hat: Kenntnis und Verständnis des (oft verdeckten) gesellschaftlichen Leidens auf Grund von Armut, Ausgrenzung und Gewalt. Bourdieu, der sich in diesem Zusammenhang übrigens auch profund zum Thema »Terrorismus« äußerte (»Machtmissbrauch im Namen der Vernunft«, 1995), zitierte für sein Credo häufig den Philosophen Gaston Bachelard: »Es gibt keine Wissenschaft ohne das Verborgene« und betonte: »Zur Demokratie gehört eine Forschung, die Ungerechtigkeiten aufdeckt«.
Was kann, was soll Soziologie? Pierre Bourdieu hat sich nicht gescheut, in nahezu allen seinen Arbeiten auf die Machtverhältnisse in der Gesellschaft zu sprechen zu kommen, und er thematisierte - oft weitaus klarer als andere seiner Zunft - die Asymmetrie in diesen Beziehungen, das Vorhandensein von Oben und Unten, von Zensur und Unterdrückung. Dies betraf Untersuchungen im »akademischen Feld«, im Bildungswesen oder die Analysen der Medien, wobei einer seiner Essays (»Über das Fernsehen«, 1998) - bezeichnenderweise als Vortrag im TV präsentiert - breite Debatten auslöste und zu den wirkungsvollsten Beiträgen humanistischer Medienkritik gezählt werden kann. Bourdieu geht dabei sehr weit: Das Fernsehen in seiner gegenwärtigen Verfasstheit stelle - vor allem auf Grund der inneren kommerziellen Logik (Jagd nach Einschaltquoten, Verkürzung der bildgestützten Sequenzen, direkte und indirekte Zensur u. a.) - eine Gefahr für die Verwirklichung von Demokratie in der Gesellschaft dar.
Unbedingt empfehlenswert ist seine Rede, die er 1999 in Paris vor den Spitzen internationaler Medienkonzerne unter dem Titel »Fragen an die wahren Herren der Welt« hielt: Im besten Sinne der Aufklärung stellt Bourdieu seinen Gegenübern "»sokratische« Fragen: »Wissen Sie, in deren Händen die Gesamtheit der Instrumente der Produktion und Distribution kultureller Güter zusammenfließt, wirklich, was Sie tun - mit der Kommerzialisierung der Medienwelt, mit der schrittweisen Liquidierung nationaler Kulturströmungen, mit dem Messen von künstlerischer Innovation am Profit?«
Es war für den Lebensweg Pierre Bourdieus folgerichtig, aber im Vergleich mit zahlreichen Fachkollegen und -kolleginnen keineswegs selbstverständlich, dass er im Verlauf der 1990er Jahre aktiv politische Positionen gegenüber dem Modell des Neoliberalismus und den Gefahren der Globalisierung bezog. Weniger durch seinen Rang, sondern durch seine Arbeit und sein persönliches Engagement wurde er zu einer Leitfigur - eine Bürde, die nicht immer leicht zu tragen war. Sein Name steht weiterhin für ein Auftreten bei den Streiks der Lastkraftwagenfahrer 1995, für die Unterstützung von Bauernprotesten, für die berühmte »Warnung vor dem Modell Tietmeyer« (Gegenfeuer, 1998), für die Gründung von ATTAC und für die schwierigen Bemühungen zur Stärkung neuer sozialer Bewegungen - der Arbeitslosen, der »Prekären«, der Gewerkschaftsaktivisten und anderer.
Bourdieu hat als einer der ersten Wissenschaftler von Rang den Charakter des Neoliberalismus mit aller Schärfe gekennzeichnet: Neoliberalismus ist für ihn eine antihumane Revolution, die im Zuge des Sachzwanges und der scheinbaren Selbstverständlichkeit daher kommt, aber eine Re-Feudalisierung, die Umwertung fast aller Werte und »ein Programm der planmäßigen Zerstörung der Kollektive« beinhaltet. Er spricht im Gegenzug davon, »Voraussetzungen für einen kollektiven Entwurf einer sozialen Utopie zu schaffen, die in gemeinsamen historischen Traditionen und zivilisatorischen Werten wurzelt«. Eine von ihm geforderte »Internationale der Intellektuellen« hätte bei diesem Ringen besondere Verantwortung. Inmitten dieser Kämpfe ist Pierre Bourdieu gestorben, aber nicht wirklich gegangen. Er hinterlässt uns ein kaum überschaubares Netzwerk an Theorie, ein Projekt des Widerstandes gegen den Neoliberalismus und die Vision der Gestaltung eines neuen Europa, viele Anregungen und etliche unbeantwortete Fragen. Er hinterlässt auch - fachspezifische - Botschaften zur Soziologie: Wer in den 1990er Jahren die Soziologie-Kongresse in Deutschland besuchte und bei etwa der Hälfte der behandelten Themen das Gefühl hatte, sich in stratosphärischen Winden aufzuhalten (weit, sehr weit über der Realität!), der erlebt in der Beschäftigung mit Bourdieu etwas ganz anderes. Vielleicht wiederholt sich die Geschichte tatsächlich - auf originelle Weise? Vielleicht können erneut kontinentale Verhältnisse von einem französischen Vertreter der so oft beschworenen »Zweiten Aufklärung« profitieren?
Diese Gedanken und die an den persönlichen Mut des Menschen Pierre Bourdieu machen Hoffnung.
Die im Text verwendeten Zitate sind folgenden Arbeiten Pierre Bourdieus entnommen: Die feinen Unterschiede, 1979; Soziologische Fragen, 1993; Das Elend der Welt, 1993; Über das Fernsehen, 1996; Störenfried Soziologie. In: Wozu heute noch Soziologie ? Ein Streit aus der ZEIT, 1996; Vom Gebrauch der Wissenschaft, 1998; Gegenfeuer, 1998; Fragen an die Herren der Welt, 1999.
Der Autor ist Sozialwissenschaftler, Vorsitzender des FOKUS-Instituts Halle. Kontakt: Falladaweg 9, 06126 Halle, Fon+Fax: D-(0)345-6901249, mail: fokus-halle@t-online.de P: Willy-Lohmann-Str. 9, D-06114 Halle, Fon: D-(0)172-3548059, mail: chrapa@aol.com
(Pierre Bourdieu starb am 24. Januar im Alter von 71 Jahren in Paris an den Folgen einer Krebserkrankung.)
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