Kosmonaut Sigmund Jähn wartet am Dönerstand
Bis Ostermontag ist die Kunstaktion des Bulgaren Daniel Bozhkov auf einem Grundstück in Mitte zu sehen
Mitten auf der verwilderten Brache zwischen Kommandantenstraße und Neuer Grünstraße in Mitte steht eine lebensgroße Figur im Raumanzug neben einem Dönergrill. Wer nähertritt, erkennt den Kosmonauten Sigmund Jähn, der gerade auf eine Portion im Fladenbrot zu warten scheint. Der Kurzbesuch Jähns auf dem Grundstück gegenüber dem Modezentrum-Gebäude wurde von dem bulgarischen Künstler Daniel Bozhkov inszeniert und soll an den 30. Jahrestag des ersten Deutschen im All erinnern.
1978 starteten vom Weltraumbahnhof Baikonur der sowjetische Kommandant Waleri Bykowski und Sigmund Jähn an Bord der Sojus 31 zur Raumstation Saljut 6, ist auf einem Informationsblatt zu lesen, das Hali Aydin zu jedem Döner Kebab mitliefert. Der 1973 in Berlin geborene Aydin war sofort begeistert, als Bozhkov ihn auf das Projekt ansprach. »Das war reiner Zufall«, erzählt er. »Ich arbeite sonst am Kottbusser Tor in Kreuzberg. Dort fragte mich der Künstler, ob ich Lust hätte mitzumachen.« Der 25-jährige Daniel Bozhkov will mit seiner Installation auch die noch immer gemachten Unterschiede zwischen Ost und West aufheben und suchte jemanden, der schon seit 30 Jahren in Berlin lebt. »Mit der Aktion soll gezeigt werden, dass wir in erster Linie alle Menschen sind«, ist Hali Aydin überzeugt und dreht den Fleischspieß nun leidenschaftlich für Sigmund Jähn. An einem Tisch mit zwei Bänken kann der Besucher täglich zwischen 12 und 18 Uhr kauend verweilen und einen geistigen Höhenflug unternehmen. Der Kosmonaut am Dönerstand kann noch bis Ostermontag besucht werden, dann hebt Jähn wieder ab.
»Die Aktion findet sieben Tage, 20 Stunden und 49 Minuten statt«, berichtet der in New York lebende Bozhkov. »Genau so lange war Sigmund Jähn im All.« Den dazugehörigen Blick von oben liefert eine an einem benachbarten Hochhaus installierte Videokamera, die Schwarz-Weiß-Bilder über einen Fernsehschirm am Imbiss sendet. Darauf ist das Objekt wie aus dem Weltall zu sehen. Aus einem Radiogerät erklingt ein 23-minütiges Musikstück, das Bozhkov zusammen mit dem gebürtigen Niederländer Yotam Haber komponiert hat.
»Darin begegnen sich Sphärenklänge, die das Weltall symbolisieren, Ludwig van Beethovens Türkischer Marsch und türkische Rapmusik, Mozarts Rondo alla Turca und Janitscharenmusik«, erklärt der Künstler das Klanggebilde. Dazu kommen Alltagsgeräusche wie Schritte, Schmatzen, vermischt mit Texten aus islamischen Gebeten und Reden von Erich Honecker, Kemal Atatürk und Helmut Schmidt. Auf Plakatwänden ist das Interkosmos-Programm dargestellt.
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