- Brandenburg
- Brandenburg
Nazi-Taktik: Vom Land in die Städte
In Brandenburg/Havel wurde ein Handlungskonzept gegen Rechts vorgestellt
Brandenburg ist nicht Brandenburg – in diesem Dilemma steckt die kreisfreie Stadt an der Havel. Eine örtliche Projektgruppe legte jetzt ein Handlungskonzept gegen rechte Gewalt und Fremdenfeindlichkeit vor. Die Stadt nimmt es auch an, will aber nicht als NPD-Hochburg eingestuft werden.
Die Projektgruppe hatte sich am Dienstagabend im Rittersaal der Fachhochschule getroffen, um das in halbjähriger Arbeit entstandene Programm den Stadtverordneten vorzustellen. Oberbürgermeisterin Dietlind Thiemann (CDU) schilderte bei dieser Gelegenheit, wie der Ruf des Landes Brandenburg, Hochburg der Rechtsextremen zu sein, auf die Stadt Brandenburg abgefärbt und das Ansehen der Stadt beeinträchtigt habe. US-Amerikaner hätten ihr gegenüber versichert, »nach Brandenburg könne man nicht gehen«. Es habe Mühe bereitet, davon zu überzeugen, dass der Gleichklang im Namen keineswegs bedeute, dass Brandenburg/Havel in dieser Beziehung besonders belastet sei.
Studenten machten an dem Abend jedoch deutlich, dass die Stadt keineswegs eine Insel der Seligen sei und dass ausländische Studenten der Fachhochschule einen Wohnsitz in Berlin mit der Begründung vorziehen, sich in Brandenburg/ Havel abends nicht sicher zu fühlen.
Fachhochschulpräsident Hans Georg Helmstädter bestätigte, dass die vielen hundert ausländischen Studenten in seiner Einrichtung für ihn ein besonderer Grund gewesen seien, sich als Leiter der Projektgruppe zur Verfügung zu stellen. In der Tat sei die Stadt kein Brennpunkt des organisierten Rechtsextremismus und habe eine gut entwickelte Zivilgesellschaft, dennoch gehe derzeit die größte Gefahr »von der NPD aus, deren Ziel es ist, bei den bevorstehenden Kommunalwahlen in möglichst viele Parlamente einzuziehen«. Dem stünden in Brandenburg/Havel schon heute Projekte an Schulen und der Fachhochschule, Vernetzungen und Aufklärungsstrategien gegenüber.
Man müsse jedoch etwas tun, »dass es so bleibt«, forderte Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD). Mit Blick auf die Kommunalwahlergebnisse in Sachsen, wo der NPD der Einzug in alle Kreistage gelungen sei, dürfe es kein Ausruhen geben.
Der Polizei-Schutzbereichsleiter Sven Bogacz erklärte, die Zahl der rechtsextremen Straftaten in der Stadt sei zurückgegangen. Er zog jedoch Parallelen zur Situation in der Weimarer Republik: Auch damals eroberte der Faschismus zunächst das Land, um sich danach auf die Städte zu konzentrieren. Wenn die Zeit offener gewalttätiger Ausschreitungen vorbei sei, so heiße das lediglich, dass die Angriffs- und Kampfformen gewechselt haben. Heute könne sich der Rechtsextremismus auf gut ausgebildete Kader in Informatik, Politikwissenschaft und Jura stützen.
Helmstädter schlug vor, mit der Filmhochschule »Konrad Wolf« in Potsdam-Babelsberg einen studentischen Wettbewerb auszuschreiben, aus dem Anti-Rechts-Spots hervorgehen. Unter dem Motto »Aufklärung statt Stundenausfall« soll eine Aktionswoche an Schulen und Oberstufenzentren stattfinden. Ausländische Studenten entwickelten die Aktion »Rote Karte dem Rassismus«. Nazi-Aufmärschen sollen solche Karten in Fenstern und Schaufenstern entgegengehalten werden. Angeregt wurde eine Stammtischarbeit mit Senioren, weil rechtsextremistisches Gedankengut nicht nur bei Jugendlichen, sondern gerade auch in den Altersgruppen jenseits der 65 Jahre anzutreffen sei.
Doch blieben bei der Versammlung Zweifel, ob solche Reaktionen das Problem bei der Wurzel packen. Frauke Postel von den Mobilen Beratungsteams warnte davor, sich den NPD-Wähler als ideologisch aufgerüsteten Faschisten vorzustellen. Es gehe eher um Menschen, die mit ihrer Situation und Perspektive zutiefst unzufrieden sind und sich von demokratischen Parteien nicht mehr vertreten fühlen. Ein Mitglied der jüdischen Gemeinde erzählte, ein Bekannter von ihm wähle NPD in der Hoffnung, »dass die anderen aufwachen und dann anfangen, etwas für uns zu tun«.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.