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Yin-Yang und die Farbe Blau

Zwei starke Frauen: 15 Jahre Kypris - ein interkulturelles Malteam

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.
Yin Yang steht für das uralte chinesische Prinzip der Einheit der Gegensätze: Helligkeit und Dunkelheit, die äußere und die innere Welt, schwach und stark - zwei Pole eines einheitlichen Universums mit gegensätzlicher Natur, die einander bedingen und zu einer Einheit verschmelzen.
Fernab chinesischer Mythologie hat Yin Yang auch eine Berliner Variante. Zwei Frauen, zwei Künstlerinnen - zwei gegensätzliche Pole eines einheitlichen Universums mit Namen Kypris. Es steht für die griechische Göttin Aphrodite, die einst im heiligen Olymp die Ressorts Liebe und Freundschaft zu verwalten hatte.
Agni Baira und Carmen Limbäörg bilden seit nunmehr 15 Jahren als Kypris ein künstlerisches Team. Sie schaffen und schöpfen nicht jeder für sich in einem gemeinsamen Atelier, sie arbeiten gemeinsam an ihren Kunstwerken. Agni, die temperamentvolle, dominante, in Kreta geborene und Carmen, die zurückhaltendere, leisere Töne liebende Deutsche. Gegensätzlicher können Menschen kaum sein, um zu einer beruflichen Einheit zu verschmelzen. Gemeinsam absolvierten sie die Berliner Hochschule der Künste, wo auch der Gedanke geboren wurde, ein interkulturelles Malteam zu bilden. Gemeinsam stark sein, das war die Grundidee. Aus dem Experiment wurde eine Erfolgsgeschichte, die jedoch immer wieder neu geschrieben werden muss. Anregungen erhalten Agni und Carmen auf ihren Wegen durch Berlin, bei Treffen mit Freunden oder unter dem Eindruck bedeutender Tagesereignisse.
Es entstehen Skizzen, die Carmen anfertigt. Sie ist die Meisterin der feinen Linien. Aus dem Entwurf wird in schöpferischer Auseinandersetzung ein Kunstwerk. Von Agni mit hellen Tönen vollendet. In den Bildern dominiert Blau - als Farbe des Meeres und des Himmels. Sie steht für Ruhe, Freundlichkeit und Harmonie. Dahinter stehen Lebensphilosophie und Lebenserfahrung von beiden.
Das Charlottenburger Atelier ist eine Wunderwelt des Schöpferischen. Viele Werke erwarten den Betrachter - vollendete Arbeiten und Entwürfe. Und zu jedem Bild gibt es eine Geschichte, die sich um Verständigung und Miteinander rankt.
Als die Mauer fiel, waren beide zum Spaziergang auf dem nahe gelegenen Kudamm. Szenen, die sie noch nie gesehen hatten. Trabbis tuckerten über die Prachtstraße, die Menschen fielen sich in die Arme, ein unbeschreiblicher Jubel. Doch die Freude hatte auch etwas Unwirkliches. Der Taumel war schnell vorbei, die Realität hatte die Berliner in Ost und West wieder. Deshalb hat das Miteinander für sie so eine tiefe Ost-West-Symbolik. Miteinander reden, sich gegenseitig verstehen und Respekt voreinander haben. Und so findet sich der berühmte Zweitakter auch in einem entstehenden Gemälde wieder.
Malen ist aber nur ein Teil der Arbeit. Der andere ist, Bilder zu verkaufen. Termine machen, mit Leuten ins Gespräch kommen, auf Suche nach Sponsoren gehen. Es ist eine tägliche Schinderei, für Privates bleibt kaum Zeit. Nur ganz wenige schaffen es, mit ihren Kunstwerken das tägliche Brot zu verdienen. Und so muss das Kypristeam mit Helfern und Freunden ständig zwischen Kunst und Kommerz aktiv sein. Kypris war schon auf dutzenden nationalen und internationalen Ausstellungen präsent, wurde mit Preisen und Stipendien geehrt.
Es ist der Spaß am künstlerischen Dokumentieren. Jeder Gast findet sich auf einem Papier wieder. Schüler waren zu Besuch, es entstand ein Zyklus eines Klassenbildes, wo jeder Charakter und jede typische Geste in den Bildern aufgenommen wurden. Der Knabe, der stets Fratzen schneidet, die Schüchterne, die sich immer hinter anderen versteckt. Carmen beobachtet sie und kann blitzschnell die Charaktere aufs Papier bringen.
Kann das überhaupt gut gehen? Zwei Künstler und ein Kunstwerk? Ist nicht jeder für sich ein Individuum mit eigenem Stil, eigenen Vorstellungen und eigener künstlerischer Handschrift? Bei den Kypris-Frauen wird Individualität bewahrt und in einem Kunstwerk zusammengeführt. 15 Jahre Zusammenarbeit ist mehr als ein Beweis.

Die Ausstellung zum 15. Kypris-Jubiläum ist noch bis zum 28. 2. von 14.30 bis 18 Uhr im Atelier, Niebuhrstraße 9, zu sehen.

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