Rühmann, Jähn und Co.

Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten gestartet / Heldengeschichten gesucht

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 4 Min.
Unter dem Titel »Helden: verehrt, verkannt, vergessen« startete gestern die 21. Runde des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten. Der Heldenbegriff soll dabei von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchaus kritisch hinterfragt werden, wie die Organisatoren der Ausschreibung gestern in Berlin erklärten.

Was haben Thea Rasche, Ruth Held, Hermann Detzner, Heinz Rühmann und Sigmund Jähn gemeinsam? Sie alle wurden zu einer bestimmten Zeit auf das Helden-Schild gehoben, die einen zu Unrecht, andere zu Recht, einige gelten noch heute als Vorbilder, andere sind mittlerweile ins Zwielicht geraten. Sie alle aber sollen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten als Anregung für die Wettbewerbsbeiträge dienen.

Man habe für den diesjährigen Geschichtswettbewerb bewusst einen politisch umstrittenen Begriff gewählt, betonte Lothar Dittmer vom Vorstand der Körber-Stiftung gestern bei der Vorstellung des Ausschreibungs-Mottos in Berlin. Die Jugendlichen sollten so dazu angehalten werden, sich auch politisch mit Vorbildern auseinanderzusetzen. »Diese politische Sensibilisierung hätten wir durch Begriffe wie ›Idol‹ oder ›Star‹ nicht erreicht«, betonte Dittmer. Der Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums (DHM), Hans Ottomeyer, das zusammen mit der Stasi-Unterlagenbehörde diesmal als Partner des Wettbewerbs auftritt, verwies darauf, dass der Heldenstatus auch immer mit Aufopferung bzw. Altruismus verbunden sei. »In diesem Sinne können zum Beispiel Sportler keine Helden sein.« Dorothee Wierling von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte aus Hamburg klagte, dass der Heldenbegriff heute in den Massenmedien inflationär gebraucht werde. »Auch darauf können die Wettbewerbsbeiträge einen kritischen Blick werfen«, meinte die Historikerin. Der Leiterin der Stasi-Unterlagenbehörde, Marianne Birthler, schmeckt der Helden-Begriff dagegen nicht so recht. Sie sehe lieber »Menschen mit Zivilcourage« als gesellschaftliche Vorbilder.

Der Wettbewerb setzt deshalb darauf, dass die Jugendlichen die Leistungen der Porträtierten kritisch hinterfragen. »Das Infragestellen historischer Heldenfigurgen und die Suche nach Menschen, deren vorbildliches Handeln bislang nicht im Scheinwerferlicht der Geschichte steht, kann unseren Blick schärfen für das, was im Leben des Einzelnen und der Gemeinschaft wirklich zählt: Zivilcourage, Tapferkeit, uneigennütziges Handeln«, betonte Bundespräsident Horst Köhler gestern zum Auftakt der Ausschreibung.

Die beiden Kooperationspartner des Wettbewerbs wollen dazu die teilnehmenden Jugendlichen durch spezielle Angebote unterstützen. So stellt das DHM Schülern und Lehrern ein museumspädagogisches Programm von der Geschichtswerkstatt bis zur Internetplattform LeMO (Lebendiges virtuelles Museum Online) zur Verfügung. Spurensuchern öffnet das Museum auch seine Archive. Die Birthler-Behörde bietet Lehrerfortbildungen, Schülerprojekte und Schülerseminare u. a. zu Methoden, Struktur und Wirkungsweise des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR an. Allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Wettbewerbs stehen die Archive der Behörde zur Recherche offen.

Übrigens: Wer wissen will, wann, wo und wie die eingangs erwähnten »Helden« gewirkt haben, kann das im Magazin »spurensuchen« der Körber-Stiftung nachlesen. Neben den bekannten Namen Sigmund Jähn und Heinz Rühmann sind dort auch eher weniger Prominente aufgeführt. Ruth Held zum Beispiel schmuggelte während der NS-Zeit in Hamburg Lebensmittel in sogenannte Judenhäuser. Ausgerechnet die Tochter eines SS-Hauptsturmführers rettete sie vor den SS-Schergen. Thea Rasche scheiterte in den 1920er Jahren dabei, als erste Frau den Atlantik zu überqueren, erwarb sich aber Heldentum, weil sie sich 1939 nicht in den Krieg der Nazis einspannen ließ. Hermann Detzner wiederum gehört zur Kategorie der »falschen Helden«. 1920 berichtete er in einem Buch, wie er angeblich in Neuguinea von 1914 bis 1918 mit einer Gruppe von Einheimischen militärischen Widerstand gegen australische Truppen leistete. Er wurde als Held gefeiert, bis bekannt wurde, dass er alles erfunden hatte und sich die meiste Zeit des Krieges bei einer Missionsgesellschaft versteckt hatte.


Spurensuche

Seit 1973 rufen der Bundespräsident und die Hamburger Körber-Stiftung Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 8 und 21 Jahren zur historischen Spurensuche auf. Themen-Motto waren bislang z.B. »Alltag im Nationalsozialismus« oder »Umwelt hat Geschichte«.

Im Schnitt beteiligen sich 5000 Kinder und Jugendliche an dem Wettbewerb, die Gesamtzahl betrug seit 1973 über 115 000.

Das Prinzip des Wettbewerbs ist das forschende Lernen, d.h. die Jugendlichen sollen – angeregt durch Anstöße aus dem familiären Umfeld, der Schule oder dem Alltag – in Archiven recherchieren sowie Zeitzeugen und Experten befragen.

Einsendeschluss ist der 28. Februar 2009. Zu gewinnen sind diesmal Geld- und Sachpreise im Gesamtwert von 250 000 Euro.

www.geschichtswettbewerb.de

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