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»Wir wollen unseren Tiger zurück«
Nahe dem NATO-Gelände bei Munster in der Lüneburger Heide: Das deutsche Panzermuseum lockt Waffenfans jeder Herkunft an. Die Kriegsgeschichte wird dabei aber zu unkritisch präsentiert.
Munster in der Lüneburger Heide: Wer hier in »zivil« über die Straße geht, fällt auf. Bei allen Veränderungen sind Munster und Umgebung trotz allgemeiner Abrüstung immer noch ein NATO-Sandkasten. Auf den Schießbahnen rund um das Heidenest recken Panzer ihre Rohre in den Himmel. Mit einem dumpfen Wummern verlassen die Granaten die stählernen Kolosse und schlagen wenig später krachend ein. Sogar in einigen Kilometern Entfernung vibriert der Boden noch und scheppert das Glas in den Fenstern. Aber Klagen gibt es kaum. Nicht einmal damals, als noch regelmäßig Nachtschießen anstanden, wurde Unmut geäußert. Munster hat eben jahrzehntelang auch von den Panzerfahrern gelebt.
Wen wunderts also, dass das deutsche Panzermuseum in Munster zu finden ist. Dort, wo einst die Panzer des Panzer-Grenadier-Batallions parkten, hat Helmut Thiel vor allem dem Alteisen deutscher Armeen eine letzte Zuflucht geschaffen. Thiel war selber Panzerfahrer. Und auch wenn er den letzten Krieg mit seinen großräumigen Panzerschlachten nicht miterlebt hat: Hört man ihn bei seinen Führungen erzählen, klingt es, als habe er den einen oder anderen Russenpanzer doch persönlich abgeschossen. Aber Thiel kann sich nur einfühlen - besonders gut in die Besatzungen, an deren Turm das Eiserne Kreuz prangte.
18 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche stehen dem Museum zur Verfügung, überdacht und draußen. Platz genug für allein 40 Wehrmachtspanzer vom »Panzerkampfwagen 1« bis zum »Königstiger«. Fahrzeuge der Bundeswehr finden sich aber auch - ebenso wie solche der NVA sowie russischer, amerikanischer und britischer Herkunft. Eines der Prunkstücke: Ein Nachbau des Sturmpanzers A7V aus dem Ersten Weltkrieg. Ein anderes: Der Radpanzer der Polizei der Weimarer Republik - sogar ein Unikat. Kein Zweifel: Am Material mangelt es nicht. Aber seine Einordnung wirft Fragen auf. Denn immerhin ist das Museum Teil der offiziellen Geschichtsvermittlung der Bundeswehr. An Standorten wie diesem sollen der Öffentlichkeit und jungen Soldaten Zusammenhänge erklärt werden. Zusammenhänge beispielsweise zwischen Kriegstechnik, politischen Situationen und individuellen Schicksalen. Unter dem Foto eines Panzers vor einem sterbenden Pferd steht folgerichtig zu lesen: »Sieg der Maschine über die Kreatur: Das Antlitz des Krieges in seiner lebensverachtenden Schonungslosigkeit«. Pathetische Formeln ähnlicher Klasse finden sich öfter.
Die meisten Besucher kommen aber gar nicht, um sich erklären zu lassen, wie schrecklich ein Krieg ist. Eine jährlich größer werdende Gruppe sind Männer, die ihren Frauen und Kindern wenigstens einmal das Ding zeigen wollen, das sie einst durch die jungen Heideforste brechen ließen. Die einerseits ihre Dienstzeit beim Bund für die beste Zeit ihres Lebens halten - und seither bedauern, dass sie vorbei ist. Die andererseits aber insgeheim doch froh sein dürften, mit dem »Fuchs« nicht dort unterwegs zu sein, wo vielleicht bald wieder scharf geschossen wird. Aber das sagt keiner laut.
»Logisch, dass unser Zeug hier hinten in der Ecke steht«: Es kommen auch die, die einst in der anderen deutschen Armee dienten, der Armee der Arbeiter und Bauern. Viele NVA-Gerätschaften haben den Weg nach Munster gefunden. Aber abgesehen von Ossi-Wessi-Animositäten, bei denen Raumnot als Absicht verstanden wird, unterscheiden sich diese beiden Gruppen kaum: Durch das Turmluk ihres ehemaligen Arbeitsgerätes könnte heute kaum noch einer von ihnen den Wohlstandsbauch zwängen.
Und schließlich gibt es die schrumpfende Gruppe derer, die noch echtes Pulver gerochen haben. »Schade, dass der "Tiger 1" zur Zeit nicht da ist«, bedauert ein älterer Herr, zu dessen Aufgaben nach eigenen Worten das Warten der Ketten des 57-Tonnen-Monsters gehört hat. Vielleicht ist es der Abstand, die Lebenserfahrung, die ihm auffallen lassen, dass der Ausstellung eine technische Faszination innewohnt, das mit dem aufklärerischen Anspruch schwer in Einklang zu bringen ist. Museumsmacher Thiel freut sich, dass die meisten seiner echten Exponate »selbstverständlich« das Hakenkreuz oder SS-Runen schmücken: »Das ist anfangs kontrovers diskutiert, zu Gunsten der historischen Genauigkeit aber doch in Kauf genommen worden«, erklärt der ehemalige Stabsfeldwebel der Bundeswehr.
Die historische Genauigkeit wird an anderer Stelle weniger groß geschrieben: In schwer erträglicher Penetranz werden immer wieder SS-Verbände mit Wehrmachtseinheiten in einen Topf geworfen und SS-Männer als erfolgreiche Panzerkommandanten gefeiert. Was sich natürlich nicht ausschließt - aber eben auch nur die halbe Wahrheit ist. So werden Unterschiede unkenntlich gemacht, deren Aufrechterhaltung in anderem Zusammenhang vehement gefordert wird. Mit besonderem Stolz werden »Original-Feldblusen« der Nazigeneräle Rommel und Guderian ausgestellt - dass gerade die neue, raumgreifende und von der Infanterie unabhängige Panzertaktik Guderians besonders gut zu den Eroberungsplänen der Nazis passte, geht unter. Im Panzermuseum Munster jedenfalls erfährt der Besucher nicht, dass just deshalb eine ganze Reihe besonders elitärer SS-Formationen Panzer-Einheiten waren. Wenig überraschend, dass die Folgen der Technikgläubigkeit und des lange sprichwörtlichen deutschen Kadavergehorsams nirgendwo thematisiert werden.
Was der kritische Besucher lernen kann: Wie Klischees gemacht werden, die Identifikationsräume bieten. Denn eines war der deutsche Panzerfahrer, unabhängig von der Farbe seiner Uniform, schon immer: ein folgsamer Diener des Vaterlandes. Und darin unterscheiden sich auch die nicht, die vielleicht bald schon mit ABC-Spürpanzern im Irak prüfen müssen, ob die Luft für amerikanische Bodentruppen rein ist.
Panzermuseum, Hans-Krüger-Straße 33, 29633 Munster; Öffnungszeiten: 1. März - 30. November , Freitag bis Sonntag...
Wen wunderts also, dass das deutsche Panzermuseum in Munster zu finden ist. Dort, wo einst die Panzer des Panzer-Grenadier-Batallions parkten, hat Helmut Thiel vor allem dem Alteisen deutscher Armeen eine letzte Zuflucht geschaffen. Thiel war selber Panzerfahrer. Und auch wenn er den letzten Krieg mit seinen großräumigen Panzerschlachten nicht miterlebt hat: Hört man ihn bei seinen Führungen erzählen, klingt es, als habe er den einen oder anderen Russenpanzer doch persönlich abgeschossen. Aber Thiel kann sich nur einfühlen - besonders gut in die Besatzungen, an deren Turm das Eiserne Kreuz prangte.
18 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche stehen dem Museum zur Verfügung, überdacht und draußen. Platz genug für allein 40 Wehrmachtspanzer vom »Panzerkampfwagen 1« bis zum »Königstiger«. Fahrzeuge der Bundeswehr finden sich aber auch - ebenso wie solche der NVA sowie russischer, amerikanischer und britischer Herkunft. Eines der Prunkstücke: Ein Nachbau des Sturmpanzers A7V aus dem Ersten Weltkrieg. Ein anderes: Der Radpanzer der Polizei der Weimarer Republik - sogar ein Unikat. Kein Zweifel: Am Material mangelt es nicht. Aber seine Einordnung wirft Fragen auf. Denn immerhin ist das Museum Teil der offiziellen Geschichtsvermittlung der Bundeswehr. An Standorten wie diesem sollen der Öffentlichkeit und jungen Soldaten Zusammenhänge erklärt werden. Zusammenhänge beispielsweise zwischen Kriegstechnik, politischen Situationen und individuellen Schicksalen. Unter dem Foto eines Panzers vor einem sterbenden Pferd steht folgerichtig zu lesen: »Sieg der Maschine über die Kreatur: Das Antlitz des Krieges in seiner lebensverachtenden Schonungslosigkeit«. Pathetische Formeln ähnlicher Klasse finden sich öfter.
Die meisten Besucher kommen aber gar nicht, um sich erklären zu lassen, wie schrecklich ein Krieg ist. Eine jährlich größer werdende Gruppe sind Männer, die ihren Frauen und Kindern wenigstens einmal das Ding zeigen wollen, das sie einst durch die jungen Heideforste brechen ließen. Die einerseits ihre Dienstzeit beim Bund für die beste Zeit ihres Lebens halten - und seither bedauern, dass sie vorbei ist. Die andererseits aber insgeheim doch froh sein dürften, mit dem »Fuchs« nicht dort unterwegs zu sein, wo vielleicht bald wieder scharf geschossen wird. Aber das sagt keiner laut.
»Logisch, dass unser Zeug hier hinten in der Ecke steht«: Es kommen auch die, die einst in der anderen deutschen Armee dienten, der Armee der Arbeiter und Bauern. Viele NVA-Gerätschaften haben den Weg nach Munster gefunden. Aber abgesehen von Ossi-Wessi-Animositäten, bei denen Raumnot als Absicht verstanden wird, unterscheiden sich diese beiden Gruppen kaum: Durch das Turmluk ihres ehemaligen Arbeitsgerätes könnte heute kaum noch einer von ihnen den Wohlstandsbauch zwängen.
Und schließlich gibt es die schrumpfende Gruppe derer, die noch echtes Pulver gerochen haben. »Schade, dass der "Tiger 1" zur Zeit nicht da ist«, bedauert ein älterer Herr, zu dessen Aufgaben nach eigenen Worten das Warten der Ketten des 57-Tonnen-Monsters gehört hat. Vielleicht ist es der Abstand, die Lebenserfahrung, die ihm auffallen lassen, dass der Ausstellung eine technische Faszination innewohnt, das mit dem aufklärerischen Anspruch schwer in Einklang zu bringen ist. Museumsmacher Thiel freut sich, dass die meisten seiner echten Exponate »selbstverständlich« das Hakenkreuz oder SS-Runen schmücken: »Das ist anfangs kontrovers diskutiert, zu Gunsten der historischen Genauigkeit aber doch in Kauf genommen worden«, erklärt der ehemalige Stabsfeldwebel der Bundeswehr.
Die historische Genauigkeit wird an anderer Stelle weniger groß geschrieben: In schwer erträglicher Penetranz werden immer wieder SS-Verbände mit Wehrmachtseinheiten in einen Topf geworfen und SS-Männer als erfolgreiche Panzerkommandanten gefeiert. Was sich natürlich nicht ausschließt - aber eben auch nur die halbe Wahrheit ist. So werden Unterschiede unkenntlich gemacht, deren Aufrechterhaltung in anderem Zusammenhang vehement gefordert wird. Mit besonderem Stolz werden »Original-Feldblusen« der Nazigeneräle Rommel und Guderian ausgestellt - dass gerade die neue, raumgreifende und von der Infanterie unabhängige Panzertaktik Guderians besonders gut zu den Eroberungsplänen der Nazis passte, geht unter. Im Panzermuseum Munster jedenfalls erfährt der Besucher nicht, dass just deshalb eine ganze Reihe besonders elitärer SS-Formationen Panzer-Einheiten waren. Wenig überraschend, dass die Folgen der Technikgläubigkeit und des lange sprichwörtlichen deutschen Kadavergehorsams nirgendwo thematisiert werden.
Was der kritische Besucher lernen kann: Wie Klischees gemacht werden, die Identifikationsräume bieten. Denn eines war der deutsche Panzerfahrer, unabhängig von der Farbe seiner Uniform, schon immer: ein folgsamer Diener des Vaterlandes. Und darin unterscheiden sich auch die nicht, die vielleicht bald schon mit ABC-Spürpanzern im Irak prüfen müssen, ob die Luft für amerikanische Bodentruppen rein ist.
Panzermuseum, Hans-Krüger-Straße 33, 29633 Munster; Öffnungszeiten: 1. März - 30. November , Freitag bis Sonntag...
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