Wohl mancher Verehrer Heinrich Zilles weiß, dass der berühmte Maler der kleinen Leute im südwestlichsten Zipfel des heutigen Berliner Bezirks Lichtenberg aufwuchs, seine Familie gründete und mit ihr acht Jahre dort wohnte.
Wer aber Zilles Lichtenberger Spuren folgen möchte, findet in der Literatur bislang nur eine genaue Adresse: Fischerstraße 8. Hier befand sich das Gartenhaus, das Vater Johann Traugott Zille zum Teil eigenhändig erbaute und danach mit seiner Familie bis zum Lebensende bewohnte. Der Historiker Prof. Dr. Günter Möschner fand jetzt nach intensivem Quellen-Studium - er durchforstete u.a. die Anhänge der Adressbücher der Berliner Vororte von 1877 bis 1895 - drei weitere Adressen Zilles in Lichtenberg.
Die bisherigen Kenntnisse darüber, wo Heinrich Zille später mit seiner eigenen Familie wohnte, stützten sich ausschließlich auf die Erinnerungen von Margarete Köhler-Zille, älteste Tochter des Zeichners und Grafikers. »Doch die Angaben der Tochter sind ungenau und enthalten Verwechslungen«, relativiert Prof. Möschner. Durchaus verständlich sei das, denn nach 1892 - Margarete war damals acht Jahre alt - kam sie nur noch zu Besuch in diese Gegend, und sie hatte ihr 70. Lebensjahr überschritten, als ihre Erinnerungen im Buch »Mein Vater Heinrich Zille« niedergeschrieben wurden.
»Von ihr wissen wir«, so Prof. Möschner gegenüber ND, »dass Heinrich Zille nach seiner Hochzeit 1883 mit der Lehrertochter Hulda Frieske ganz in der Nähe in einer Kellerwohnung seinen eigenen Hausstand gründete«. Es sei eindeutig belegt, dass es sich dabei um das heutige Haus Lückstraße 31 handelt, dessen Souterrainräume gegenwärtig als Geschäft für Heimwerkerbedarf genutzt werden.
Von dieser Wohnung, so Möschner, sei sogar eine kurze Beschreibung erhalten geblieben. »Kleine Zimmer, und durch die hochgelegenen, nicht gerade großen Fenster fiel das Licht nur spärlich herein, aber die liebevolle Ausstattung der Räume versöhnte sofort mit der Kellerlage. In der Nähe eines der kleinen Fenster hing schon damals ein Vogelbauer mit ein paar von Zilles geliebten Piepmätzen.« Zille selbst soll gesagt haben: »Siehste, Meechen, hier unten ists ja ein bisschen duster - aber die Gegend hier, die ist schön grün.«
Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Zille und Familie zogen 1887 in die damalige Prinz-Albert-Straße 4a um, fand das Mitglied der Zille-Gesellschaft weiter heraus. Das Haus 4a existiert seit etwa 1891 nicht mehr. Es befand sich ziemlich genau an der Stelle des heutigen Hauses Nöldnerstraße 4. Das ist eines der im vorigen Jahrzehnt am S-Bahnhof Rummelsburg erbauten neuen Häuser, bei denen ein lustiger Effekt alle Wände schief erscheinen lässt.
1890 stand bei Familie Heinrich Zille erneut ein Wohnungswechsel an, und zwar in die Mozartstraße 1, heute Geusenstraße 16. Obwohl Heinrich Zille schon 1892 nach Charlottenburg übersiedelte, dürften die hier gewonnenen Eindrücke nachhaltig auf ihn gewirkt haben. Denn wie schon vorher in der Prinz-Albert-Straße lebte er hier im »Milljöh«, das er später so einfühlsam und ergreifend darstellte.