PISA-Sieger beim Gehalt ganz hinten

Heute Warnstreik an 1000 von 1400 sächsischen Schulen / Unmut über »Zwangsteilzeit«

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 2 Min.
An Sachsens Schulen wird gestreikt. Nachdem es bereits gestern Kundgebungen gab, soll heute an 1000 von 1400 Schulen der Unterricht ruhen. Die Lehrer wollen mehr Geld und ein Ende ihrer »Zwangsteilzeit«.

Dienstags halb zehn steht Torsten Koos sonst vor einer Klasse. An einer Mittelschule in Dresden unterrichtet er Mathe, Physik und Gesellschaftskunde. Gestern fiel der Unterricht aus: An 400 Schulen in Sachsen wurde gestreikt; heute sollen 1000 der 1400 Schulen betroffen sein. Koos besuchte statt dessen mit Kollegen eine Kundgebung am Gewerkschaftshaus – eine Art praktischen Unterricht in Gesellschaftskunde. »Hier ist zu lernen, dass man in einer pluralistischen Gesellschaft seine Meinung sagen kann«, erklärt auf dem Podium Rita Kiriasis vom Sächsische Lehrerverband, »und dass man für seine Interessen eintreten muss.«

Diese Ansicht teilt Koos: Lehrer seien eine »derzeit von allen Parteien hofierte Berufsgruppe«, aber die Wertschätzung »schlägt sich im Geldbeutel nicht nieder«. Sachsen, das bei Pisa-Tests in der Spitzengruppe rangiert, brüstet sich damit, die Erfolge mit eher niedrigen Kosten zu erzielen. Auf einem Transparent steht denn auch: »PISA Platz 1, Bezahlung Platz 16«.

Vor allem für junge Lehrer gebe es keinen Anreiz, in Sachsen in den Schuldienst einzusteigen, sagt Koos, der seit 22 Jahren unterrichtet. Während Lehrer im Westen oft verbeamtet würden und eine frühere Kollegin seit ihrem Wechsel nach Hessen 1000 Euro mehr verdiene, müssen sie in Sachsen Teilzeit arbeiten: »Bei mir sind das nur 21 statt 26 Unterrichtsstunden« – mit entsprechenden Abschlägen. Gleichzeitig wächst die Belastung durch Ganztagsprojekte, Arbeitsgemeinschaften und ähnliches: »Man meint wohl, Lehrer haben genug Zeit.«

Die »Zwangsteilzeit« wurde im Freistaat einst eingeführt, weil die Schülerzahl stark sank. Die Lehrer hätten sich damit den »Kündigungsschutz erkauft«, sagt GEW-Landesvize Uschi Kruse, »aber sie zahlen dafür jeden Monat einen dreistelligen Betrag«. Selbst mit einer Lohnforderung von acht Prozent sei das nicht auszugleichen. Hinter dieser Forderung stehen die Lehrer daher nahezu geschlossen. An seiner Schule, sagt Koos, habe es neben zwei »Stallwachen« nur drei »Streikbrecher« gegeben.

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