Anspielen gegen den Sohn der Hölle
Schüler der Transform Schauspielschule zeigen Shakespeare im Teatr Studio
Zwei gute Stücke, ein guter Regisseur, zehn begabte Jungschauspieler, die zugleich Schüler des Regisseurs sind, und musikalische Akzente, gesetzt von dem berühmten polnische Weltkomponist Krzystof Penderecki. Das kann einen bemerkenswerten Theaterabend ergeben – und ergab einen besonders zu beachtenden: im Teatr Studio, der Deutsch-Polnischen Studiobühne Berlin, unter Leitung der Schauspielerin Janina Szareck und des Philosophieprofessors Olav Münzberg. Und das in Zusammenarbeit mit der Transform-Schauspielschule Berlin, wo der Regisseur Ruprecht auch als Schauspielpädagoge arbeitet.
Der Abend am Salzufer trug den Titel: »O Krieg, Du Sohn der Hölle« nach einem Shakespeare-Vers. Leiter und Akteure haben sich selbst eine hohe Messlatte gesetzt, sprich: Sie arbeiten mit hohen Ansprüchen, wählten Stücke von besonderem Format wie Ausmaß. Shakespeare »Heinrich VI.« (drei Teile, gewaltig eingestrichen, auf eine Frage konzentriert) und des Euripides »Troerinnen« in einer Übersetzung von Sartre und Hans Mayer, leicht touchiert, stark gekürzt und hochpolitisch.
Man stelle sich das vor: Im Original umfasst »Heinrich VI.« ca 280 Druckseiten, »Die Troerinnen« um die 80 360 Seiten. Das ergäbe eine Spieldauer von acht bis zehn Stunden, also etwa Peter-Stein-Ausmaße. Im Unterschied sind es bei Ruprecht etwa dreieinhalb Stunden. Bei ihm kam die Grundidee der Stücke auf die Szene und über die Rampe: Der Schrecken des Krieges. Im »Heinrich« der mörderische Kampf der Parteien des Hochadels (Rote und Weiße Rose) im 15. Jahrhundert um die Macht des Königtums, dem auch die meisten Lancasters und Yorks selbst zum Opfer fallen, bis die Tudors 1485 ihre Herrschaft gefestigt hatten. Am stärksten trifft es allemal das Volk.
Diese Szenen fehlen. Als Ersatz ließ er als Geschehen der Opfer »Die Troerinnen« spielen – die wortgewaltigen Andromache, Hekuba und Kassandra (Tatjana Albrecht, Eva Kölling, Anja Schlüter) zeigten es nachdrücklich. Auffällig: Frauen spielten Männer-Rollen, was theatergeschichtlich weniger üblich, umgekehrt früher als Norm galt. Solistisch zu nennen sind noch Lorenz Eiche als Heinrich VI. und griechischer Soldat, Fares Bouattoura als York und Menelaos, Nicolas Krüger in vielen Rollen, vor allem als Spielleiter und Maestro der Musik.
Furios auf kleiner Fläche sind die Kampf- bzw Fechtszenen (einstudiert von Fechtmeister Karlheinz Bauer). Hintergrund der Fläche ist ein Metallgerüst, dort rechts oben ein schiefer goldangestrichener Stuhl – der Thron. Auf den wollten viele, kamen an – als Leichen! Am Ende steht bereits Richard Gloster, bekannt als der Dritte, bereit (ausgezeichnet David Matla ).
Die jungen Mimen agierten außerordentlich beteiligt, meist diszipliniert, sehr lautstark, was nicht immer nötig gewesen wäre. Regiekunst verbindet sich hier mit Schauspielpädagogik. Möglicherweise wächst hier ein neuer Schauspieler-Typus heran, der – lässt man jugendliche Verv außer acht – emotionales Pathos alter Schule mit der dialektischen Zeigekunst Brechts vereinigt. Spielt, ihr Jungen, spielt! Und: Jede Warnung vor Krieg wird jederzeit gebraucht!
Wieder am 20.2., 6.3., 20.3., 24.4., 8.5., 29.5, 20 Uhr, Teatr Studio am Salzufer, Salzufer 13/14
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