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Axt an deutsche Buchen
NABU: Landesforste treiben aus finanziellen Zwängen Raubbau an Altbäumen
Den sofortigen Stopp aller Abholzungen von Wäldern mit Buchenbeständen, die älter als 150 Jahre sind, forderte am Dienstag der Naturschutzbund (NABU). Derzeit werden die rücksichtslose Ausbeutung der »alten« Buchenbestände und sogar enorme volkswirtschaftliche Schäden vom Steuerzahler subventioniert, beklagt der Umweltverband.
Während Staaten wie das kleine Aserbaidschan ihre Primärwälder zu Heiligtümern erklären, findet im reichen Deutschland momentan eine Über- und »End«-Nutzung der Buchenwälder statt. Die Lebenserwartung von Fagus sylvatica, der Rotbuche, beträgt unter mitteleuropäischen Verhältnissen 300 bis 400 Jahre - theoretisch. Denn Wälder diesen Alters sucht man in der Bundesrepublik mit Ausnahme einiger kleiner Schutzgebiete vergebens. Bis zum 9. Jahrhundert waren 80Prozent der Fäche Deutschlands mit Wäldern bedeckt, in denen die Buche die dominierende Baumart war. Im Vergleich zur Kiefer ist ihr Verbreitungsgebiet jedoch sehr klein und auf Mittel- und Südosteuropa beschränkt. Das heutige Deutschland ist das Kernland der Buche und besitzt deshalb eine hohe internationale Verantwortung zum Schutz und Erhalt der Buchenwälder. Doch gerade hier ging es der Buche in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder an den Kragen. Die Gewinnung von Bauholz oder Brennholz zur Verhüttung führte zu riesigen Kahlschlägen, die anschließend meist mit schnell wachsenden Kiefern oder Fichten aufgeforstet wurden. Heute sind die Rotbuchenwälder und -forste in Deutschland auf 8Prozent ihres ursprünglichen Areals zurückgedrängt und auch die noch vorhandenen Bestände werden oft naturfern bewirtschaftet. Auch der Naturschutz mochte sich lange Zeit nicht mit der Buche beschäftigen. Dessen Aufmerksamkeit richtete sich in der Vergangenheit den besonderen Naturschätzen zuteil, wie spektakulären Arten oder Spezialbiotopen. Der Buchenwald als das typische, das gewöhnliche, ja das wichtigste Ökosystem in Mitteleuropa hatte kaum Fürsprecher und Verteidiger. Die nordostdeutsche Forstwirtschaft bewirtschaftet die Buche seit Jahrhunderten im wesentlichen durch das Schirmschlag-Prinzip. Beim Schirmschlag wird zum Zeitpunkt der Ernte in Etappen von fünf bis zehn Jahren der Bestand sukzessive durch Entnahme einzelner Bäume gelichtet. Unter dem »Schirm« der stehen gebliebenen Bäume bildet sich eine junge Buchengeneration. Ist die junge Generation groß genug, wird im Endhieb der Schirm der verbliebenen Überhälter geräumt. Natürlich entsteht durch diese Nutzungsart eine monotone Struktur gleichaltriger Bäume - wie man es auch von Kiefernschonungen kennt. Die Buche wächst langsam. Und so dauert die so genannte »Umtriebszeit« - die Zeit, bis man auf solchen Flächen wieder »ernten« kann mindestens ein Jahrhundert. Durch die Technisierung der Forstwirtschaft haben Großschirmschläge inzwischen eine neue Dimension bekommen. Hinzu tritt als Folge der Globalisierung ein weltweiter Holzmarkt, der, weil er auch gewissen Modetrends unterworfen ist, auf ökologische Anforderungen keine Rücksicht nimmt. So ist in China, zum Beispiel durch die 1998 erfolgte Ansiedlung der schwedischen Möbelkette IKEA, weißes Buchenholz sehr gefragt. Ab etwa 120 Jahren verfärbt sich jedoch der Kern eines Buchenstammes rot. Aus diesem Grund ist Deutschland auf Grund der Nachfrage bestrebt, die Umtriebszeit der Buche von 140 bis 160 Jahre auf 110 bis 120 Jahre herabzusetzen, obwohl die Buchen dann erst im ersten Drittel ihrer natürlichen Lebenserwartung stehen. Der NABU schlägt jetzt Alarm, weil gerade in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg momentan ein regelrechter Raubbau an den letzten dieser Altbuchenbestände stattfindet. »Sogar in Schutzgebieten werden seit zwei Jahren Buchenwälder regelrecht abgeschlachtet«, musste Michael Succow, alternativer Nobelpreisträger, gestern auf einer Pressekonferenz des NABU in Berlin berichten. In Mecklenburg sind die Zustände besonders gravierend, konstatiert der Greifswalder Professor. »Allein zwischen 1995 und 2000 wurden auf 500 Hektar Buchenwaldfläche alle alten Bäume beräumt, auf auf rund 200 Hektar ist die Endnutzung eingeleitet worden«, erklärte Rica Münchberger vom NABU Mecklenburg Vorpommern. Hinter den Abholzungen stehen klare wirtschaftliche Vorgaben der jeweiligen Landesregierungen gegenüber ihren mit einem aufgeblähten Personalapparat ausgestatteten Landesforstverwaltungen. So sollen die Forstämter in Brandenburg künftig 60Prozent ihrer Einnahmen aus eigenen Erlösen bestreiten. Nur auf Standorten, wo Generationen von Förstern ökologisch nachhaltig gewirtschaftet haben, ist dies überhaupt möglich. Auch in Mecklenburg-Vorpommern müssen diesen Widerspruch zwischen den finanziellen Vorgaben und dem Landeswaldgesetz die Buchenwälder büßen. Beim Einschlag stammt etwa ein Drittel des jährlichen Hiebsatzes aus der Endnutzung hiebreifer Bestände. Die Endnutzung beläuft sich bei Laubbäumen auf 47 Prozent der Gesamtnutzung, bei Nadelbäumen bedingt durch die Altersstruktur auf nur 24 Prozent. Der Anteil der Buche am Holzeinschlag beträgt 21 Prozent, dabei erbringt sie mit 28 Prozent relativ hohe Gesamteinnahmen. Im Vergleich dazu hat die Kiefer einen Anteil von 47 Prozent am Holzeinschlag, der Erlös liegt aber nur bei 38 Prozent der Einnahmen. Von 1994 bis 1999 ist außerdem eine stete Erlössteigerung der Buche in fast allen Güteklassen zu beobachten, die nur noch von der Eiche übertroffen wird. Auch bei der Gesamtnutzung liegt die Buche mit einem Erlös von 45 Euro je Festmeter an 2. Stelle. Trotz dieser relativ hohen Erlöse ist diese Form der Forstwirtschaft ein Minusgeschäft, das im Falle der Landesforstverwaltungen durch den Steuerzahler finanziert wird. In beiden Bundesländern sind Schutzgebiete, deren Aufgabe darin bestand, die Buchenwälder zu schützen, von den Landesforstverwaltungen und privaten Forstbetrieben zerstört worden, weil in den Naturschutzgesetzen festgehalten ist, eine »ordnungsgemäße Forstwirtschaft« sei in diesen Gebieten erlaubt. Dennoch hat der NABU in einem Fall Strafanzeige gestellt. Dramatisch ist für Succow auch die Situation des Schreiadlers, dessen Brutbestand durch die Holzungen zusammengebrochen ist. »Unter diesen Voraussetzungen wird der Schreiadler binnen zehn Jahren aussterben«, so Succow. »Was wir Deutschen den Entwicklungsländern vorwerfen, die rücksichtslose Ausbeutung der Natur, wir praktizieren es vor unserer Haustür und schaden damit a...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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