Der direkte Weg in den Bundestag

Dagmar Enkelmann könnte als erste Sozialistin außerhalb Berlins einen Wahlkreis gewinnen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Dagmar Enkelmann
Dagmar Enkelmann

Viel hat nicht gefehlt: 4237 Stimmen mehr, und Dagmar Enkelmann (Linkspartei) hätte den Bundestagswahlkreis 2005 gegen Petra Bierwirth (SPD) gewonnen. Nur 2,3 Prozent trennten die Konkurrentinnen. Jetzt probiert es Dagmar Enkelmann erneut. Am heutigen Sonnabend wird sie aller Voraussicht nach im Strausberger Klub am See zur Direktkandidatin im Wahlkreis 60 gekürt.

Zu tun bekommt es Enkelmann beim Urnengang am 27. September mit dem Sozialdemokraten Ravindra Gujjula. Der gebürtige Inder gilt als unbequemer Gegner, gerade weil er in vielen Fragen ähnlich denkt wie die Linkspartei. Allerdings habe sich Gujjula im Potsdamer Landtag noch nie gegen die Koalitionsdisziplin gestemmt und mit der Linksfraktion gestimmt, wirft ihm diese vor. Andere SPD-Abgeordnete bewiesen in Einzelfragen diesen Mut.

Enkelmann saß von 1990 bis 1998 im Bundestag und kehrte 2005 in dieses Parlament zurück. Immer sicherte ihr ein Listenplatz den Einzug. Gelingt es der Parlamentarischen Fraktionsgeschäftsführerin, sich gegen Gujjula durchzusetzen, so wäre sie die erste Sozialistin, die außerhalb Berlins ein Direktmandat für den Bundestag erringt.

»Sie hat zumindest eine relativ gute Chance«, bestätigt der Landesvorsitzende Thomas Nord. Immerhin sei Enkelmann die bekannteste und beliebteste Politikerin der Linkspartei im Bundesland. Außerdem habe die Partei in der Gegend bei der Kommunalwahl im vergangenen Jahr sehr gute Ergebnisse erzielt – in Märkisch-Oderland ihr bestes und im Barnim ihr zweitbestes.

Thomas Nord selbst möchte im benachbarten Wahlkreis 64 (Frankfurt und Oder-Spree) antreten. Dort gelang es dem Bundesvorsitzenden Lothar Bisky vor vier Jahren, den Abstand der Sozialisten auf Jörg Vogelsänger (SPD) von 22 auf 2 Prozent zu verkürzen. Jörg Vogelsänger tritt wieder an. Nord hält sich keineswegs für chancenlos, weiß jedoch, dass seine Ausgangsbedingungen weniger gut sind als die Dagmar Enkelmanns.

Ob die Genossen Thomas Nord aufstellen, entscheidet sich am 28. März. Bislang meldeten sich noch zwei andere Bewerber. Am selben Tag erfolgen die Nominierungen im westbrandenburgischen Wahlkreis 61 und im südbrandenburgischen Wahlkreis 66, wo es die Bundestagsabgeordnete Diana Golze und der Europaparlamentarier André Brie versuchen wollen. Im Wahlkreis 65 (Cottbus und Umgebung) sowie im nordwestlichen Wahlkreis 57 möchten die Bundestagsabgeordneten Wolfgang Neskovic beziehungsweise Kirsten Tackmann aufgeboten werden. Hier wird am 4. und am 6. April nominiert.

In Potsdam bewirbt sich der einstige Bundestagsabgeordnete und Bundesgeschäftsführer Rolf Kutzmutz. Er arbeitet derzeit für die Landtagsfraktion. Es haben sich aber auch noch andere Interessenten gemeldet, darunter Florian Havemann, der am Freitag aus seinem Amt als brandenburgischer Verfassungsrichter verabschiedet wurde. Der frühere Berliner Kultursenator Thomas Flierl zog seine Bewerbung inzwischen zurück.

Im Wahlkreis 59 möchte Harald Petzold aufgestellt werden. Er war viele Jahre stellvertretender Landesvorsitzender und saß auch schon im Landtag (Nominierung am 4. April). Für die zwei übrigen Wahlkreise im Süden Berlins und in der Uckermark haben sich bislang keine besonders bekannten Bewerber gemeldet.

Die Landesliste wird am 16. Mai in Blossin aufgestellt. Die bisherigen Abgeordneten Enkelmann, Tackmann, Golze und Neskovic wollen drauf, ebenso Thomas Nord. Enkelmann ist als Spitzenkandidatin vorgesehen. Daneben gibt es noch eine ganze Reihe von Bewerbern.

»Es melden sich immer mehr«, sagt der Landesvorsitzende Nord. Ziel sei es, mindestens das Ergebnis des Jahres 2005 zu wiederholen. Mit 423 111 Stimmen hatte der märkische Landesverband etwa zehn Prozent der Stimmen für die Linkspartei bundesweit geholt. Das reichte für fünf Abgeordnete. Bei lediglich 666 Stimmen mehr hätte es noch einen sechsten Abgeordneten gegeben. Das wäre der Rechtsanwalt Steffen Hultsch von der Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG) gewesen. Angesichts des inzwischen insgesamt gewachsenen Zuspruchs für die Linkspartei liegt ein sechster Abgeordneter im Bereich des Möglichen.

Dagmar Enkelmann wird übrigens immer mal wieder als Ministerin in einer möglichen rot-roten Koalition in Potsdam gehandelt. Sie selbst hatte zeitweise damit geliebäugelt, Bürgermeisterin ihrer Heimatstadt Bernau zu werden, was aber vom Tisch ist. Über Ministerämter redet in der Linkspartei ohnehin niemand. Zuerst gehe es um einen Politikwechsel und nicht um Posten, heißt es. Und: Man wolle das Fell nicht zerteilen, ehe der Bär erlegt ist. Die Landtagswahl fällt auf einen Tag mit der Bundestagswahl.

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