Unterkünfte für Roma in Sicht
Rumänen leben seit einer Woche im Bethanien / Jetzt werden sie auf die Bezirke verteilt
Für die fünfzehn Roma-Familien aus Rumänien, die seit dem 19. Mai in einem derzeit ungenutzten Flügel des Bethanien am Kreuzberger Mariannenplatz leben, ist eine Bleibe gefunden. Genau genommen sogar mehrere Bleiben: Die Roma können fürs erste in den Notunterkünften, die für Obdachlose in allen Bezirken vorhanden sind, untergebracht werden. Darauf einigten sich das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGESO) und die Familien. Die zuständigen Bezirke müssten jetzt prüfen, ob sie die Kosten übernehmen, sagte LAGESO-Präsident Franz Allert. Er gehe aber davon aus, dass das auch »in allen Fällen« geschieht.
Eine Hürde gibt es aber doch noch. Statt wie bisher angenommen handele es sich nicht um 50 Roma, sondern um 90, sagte Allert. Die Notunterkünfte, die vom LAGESO zentral vermittelt werden, haben 83 freie Plätze. Gestern sei eine Delegation der Roma zusammen mit einem Mitarbeiter zum Lager für Asylbewerber in der Spandauer Motardstraße gefahren. Die Unterbringung dort hatten die Roma bereits letzte Woche abgelehnt. Die gestiegene Zahl bringe diese Alternative jedoch wieder ins Spiel. Allert rechnet heute mit einer Entscheidung der Familien, die beraten, ob einige von ihnen in der Einrichtung, die wegen schlechter hygienischer Zustände in der Kritik steht, untergebracht werden wollen.
Und die Zeit drängt. Die Räume im Bethanien sind nicht kindgerecht. Auch braucht die Eigentümerin, die Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE), sie bald selber. Wenn die Sanierung einer Kita in der Waldemarstraße beginnt, sollen die Kinder mit ihren Erzieherinnen sie übergangsweise nutzen. Die GSE äußerte sich der Presse gegenüber wenig erfreut über die faktische Besetzung, sah aber von einer Räumungsklage ab. Das sei »kontraproduktiv«, sagte GSE-Chef Dieter Ruhnke nach einem Zeitungsbericht. »Das war eine große Erleichterung«, sagte Ina Bethke von der Unterstützergruppe, die sich aus Nutzern des 2005 besetzten Südflügels und Anwohnern gebildet hatte. »Länger bleiben können sie im Bethanien aber nicht«, so Bethke. Auch das Jugendamt habe gemeint, dass es die Bedingungen, unter denen die 15 Kinder im Gebäude leben, nicht mehr lange tolerieren würde.
Seit einem Polizeieinsatz am 19. Mai leben die Roma, die zuvor im Görlitzer Park campiert hatten, im Bethanien. Nachdem Anwohner wegen des Verdachts auf Kindeswohlgefährdung Anzeige erstattet hatten, waren die Beamten eingeschritten. Viele Anwohner kamen dazu, weil sie mit der Art, wie die Polizei vorging, nicht einverstanden waren. Nach Verhandlungen mit den Beamten, Jugendamt und Unterstützern wurden die Familien im Bethanien untergebracht.
Wie es mit den Roma dann weitergeht, ist indes unklar. Dass sie nicht nach Rumänien zurück wollen, hätten einige bereits gesagt. »Wenn man sich die Situation der Roma in Rumänien und anderen EU-Mitgliedsländern anschaut«, meint Michael Peters von der Unterstützergruppe, »dann geht es um ein europäisches Problem, nämlich Antiziganismus, Diskriminierung und Rassismus«. Einige der Roma hätten erzählt, dass ihnen die Häuser angezündet und sie aus den Städten vertrieben worden seien. Man könne das Problem nicht auf die anderen EU-Staaten abschieben, so Peters. Derzeit halten sich die Roma legal als Touristen in Berlin auf.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.