»Ein kleines Steinchen«

Armin Massing über die Umbenennung des Kreuzberger Gröbenufers

  • Lesedauer: 3 Min.
Armin Massing, 34, arbeitet beim Berliner entwicklungspolitischen Ratschlag (BER). Seit drei Jahren kämpfte er für die Umbenennung des Gröbenufers. Mit ihm sprach Jörg Meyer.
»Ein kleines Steinchen«

ND: Sind Sie mit der Umbenennung des Gröbenufers zufrieden?
Massing: Ja, es ist großartig. Wir sind sehr zufrieden damit, dass jetzt die erste Umbenennung da ist. Uns freut aber nicht nur, dass umbenannt wurde, sondern auch, wie umbenannt wurde. Es wurde nicht einfach Kolonialismus aus dem Stadtbild entfernt, sondern statt eines Sklavenhändlers, eines sogenannten Pioniers des deutschen Kolonialismus, haben wir jetzt auf dem Straßenschild May Ayim, die genau diesen Kontext von deutschem Kolonialismus und postkolonialen Bezügen in der Stadt repräsentiert. Es soll auch noch eine Gedenktafel aufgestellt werden und Ausstellungen geben. Das Thema verschwindet also nicht, sondern bleibt im Stadtbild – aber kritisch und genau aus der entgegengesetzten Perspektive.

Sie sagen: Das kann nur ein Anfang sein. Das heißt?
Wir haben vor einiger Zeit ein Dossier herausgegeben zusammen mit den anderen Gruppen, die zum Teil auch schon länger an dem Thema dran sind, als die entwicklungspolitischen Organisationen. Wir sind auf über 70 Straßen und Plätze gekommen, und bei zehn fordern wir die Umbenennung.

...ein ambitioniertes Projekt, allein das Gröbenufer dauerte Jahre.
...wir wollen ja nicht das ganze Gesicht Berlins verändern. Wo Kolonialverbrecher immer noch auf Straßenschildern stehen, sagen wir: Das geht nicht in einer demokratischen Gesellschaft, dass diese Leute als Vorbilder stehen, dass sie so geehrt werden. Es geht konkret noch um sieben Personen. Und dann gibt es noch die Mohrenstraße. »Mohr« ist ein ein rassistischer Begriff. Von den Personen ist Carl Peters zu nennen, der in Tansania unglaublich gewütet hat und nach dem die Petersallee in Wedding benannt ist.

Wie verknüpfen sie Geschichtsarbeit mit den aktuellen Problemen? Oder endet der Rassismus mit der Umbenennung?
Natürlich nicht! Wir haben jetzt eine Möglichkeit, die kritische Reflexion über den Kolonialismus mit dem konkreten Ort zu verbinden. Dadurch, dass an dem Ufer auch viele Touristen vorbeikommen, ist das eine recht exponierte Stelle. Wir können so Bewusstsein schaffen. Und das sehen wir als ein kleines Steinchen auf dem Weg in eine weniger rassistische Gesellschaft. Wenn man das in dem größeren Kontext sieht, wie beispielsweise der BER als entwicklungspolitische Organisation: Für uns ist klar: Wenn man sich mit Nord-Süd-Politik heutzutage beschäftigt und sich nicht zu Kolonialismus äußert, sich nicht zu Rassismus äußert und damit kritisch auseinandersetzt, gerät die ganze Entwicklungszusammenarbeit in Schieflage – weil man die Grundlagen nicht sieht.

Was wird als nächstes umbenannt?
Wir hoffen, dass sich noch mehr Leute finden, die mitmachen, und sich der Sache annehmen. Jede Straße muss einzeln in den Bezirken durchgekämpft werden. Momentan sieht es am Besten aus für Lüderitzstraße, Nachtigallplatz und Petersallee in Wedding, weil da Leute vor Ort aktiv werden – zivilgesellschaftliche Gruppen schon lange, ein paar Leute in der SPD auch seit knapp einem Jahr. Meine Präferenz wäre aber die Mohrenstraße in Mitte. Allein die öffentliche Diskussion über Sklaverei, über rassistische Zuschreibungen im Zuge einer solchen Umbenennung wäre sehr wichtig.

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