Kein Traum ohne Raum

Mehrere tausend Berliner demonstrierten mit dem Bündnis Megaspree für öffentliche Freiräume

  • Jana Findeisen
  • Lesedauer: 3 Min.
Kein Traum ohne Raum

Wummernde Bässe überfluten den Platz an der Jannowitzbrücke. Mehrere bunt geschmückte Wagen beschallen die Menge mit elektronischer Tanzmusik. Hier wird nicht nur gefeiert, sondern auch protestiert: »Spreeufer für alle!«, kann man auf Schildern und Plakaten lesen, und »Kein Traum ohne Raum«.

An einem der Wagen steht Gudrun, die sich als Hochhaus verkleidet hat. »Hoch-House of Pain« steht auf dem bemalten Karton, den sie sich für die Demo gebastelt und umgehängt hat. »Ich bin hier, um die Bar25 zu unterstützen, denn ich möchte nicht, dass dort dieses 80-Meter-Hochhaus gebaut wird.«

»SpreeUrban« heißt das Projekt, dem die Bar25 weichen soll, ein gläserner Büro- und Geschäftskomplex. Seit Herbst 2008 steht dem gut besuchten Club die Räumung ins Haus. Doch die Betreiber wehren sich bisher erfolgreich gegen die Verdrängung.

Mehr als 50 Bars, Clubs und Freiraumprojekte haben sich im Aktionsbündnis »Megaspree« zusammengeschlossen und zur Demo-Parade aufgerufen. Dabei sind auch die Initiativen »Mediaspree versenken« und BISS, die Initiative gegen den Ausbau der A100. Geschätzte 8000 Menschen, nach Polizei-Angaben 2300, sind dem Aufruf gefolgt. Darunter Kiezbewohner aus Kreuzberg-Friedrichshain, Kulturschaffende, linksalternative Gruppen, aber auch Strandbar-Freunde und Club-Fans. Gemeinsam protestieren sie unter dem Motto »Berlin frisst ihre Kinder« gegen eine Stadtentwicklung, die sich nur an Investitionen ausrichtet.

Stefan ist heute schon von Anfang an dabei. Er findet, dass die kulturellen Freiräume in Berlin unbedingt bewahrt werden müssen, denn »die sprühen vor Kreativität und das macht den Reiz von Berlin aus, besonders bei Touristen«, sagt der freischaffende Designer. »Wenn das verloren geht, wird Berlin austauschbar wie jede andere europäische Metropole.«

Vor genau einem Jahr entschieden sich in einem Bürgerentscheid 87 Prozent der Bewohner aus Friedrichshain-Kreuzberg gegen das Großprojekt Mediaspree. »Mediaspree versenken« wurde zum Symbol für die Debatte um Stadtentwicklung und Gentrifizierung. Seither ist der für die Vermittlung zwischen Initiativen, Investoren und Bezirk gebildete Ausschuss nicht viel weitergekommen – bis auf hier eine verlängerte Galgenfrist, dort einen etwas breiteren Uferstreifen. Das Bündnis Megaspree fordert, dass das Veto des Bürgerentscheids endlich gehört wird.

Drei verschiedene Routen führen die Demonstranten auf einem Sternmarsch bis zur Jannowitzbrücke. Vom Treptower Park und Boxhagener Platz sind sie hierher gezogen, vorbei an der East-Side-Gallery mit den beliebten Strandbars und Nachtclubs wie Oststrand, Maria und Watergate, aber auch den bereits umgesetzten Mediaspree-Projekten Universal Music, MTV und der von vielen Anwohnern als ästhetische Katastrophe empfundenen O2 World.

Über die Jannowitzbrücke kommt die dritte Gruppe vom Oranienplatz, angeführt vom Wagen des SO36. Am Ufer wird ein überdimensionales Baby aus Pappmaché zu Wasser gelassen, als Symbol für das kulturell vielfältige, freie und soziale Berlin. »Berlin treibt ab« soll den Abstieg Berlins in eine langweilige Shopping- und Glaspalastästhetik versinnbildlichen. Mit Baby und treibenden Beats geht es in Richtung Rotes Rathaus zur Abschlusskundgebung.

Hat Megaspree eine Chance? »Eher nein«, sagen die Demonstranten. Am Ende regiere doch das Geld. Aber die Hoffnung wird bei so viel Andrang und guter Laune gestärkt. Und das Kämpfen lohnt sich für sie: Denn mit Mediaspree und Co. wird Berlin vielleicht reich, aber bestimmt nicht »sexy«.

Trommeln für die Vielfalt in der bunten Kulisse des Friedrichshainer Kiezes
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