Demokratiekreuzzug oder Eroberung?
Mehrheit der Polen für Rückzug aus Afghanistan
Den Polen soll endlich vor Augen geführt werden, welches Ziel der Kampf ihrer Armee in Afghanistan hat. Führt sie einen Krieg für die Demokratie oder einen Eroberungsfeldzug an der Seite der US-Amerikaner? Unter der Bezeichnung »Islamic & Democratic Afghanistan« wird deshalb gemeinsam mit dem »Business-Centre Club« und der Euro-Atlantischen Gesellschaft in Warschau ein Projekt gestartet, das dem Unwillen der Bevölkerung ob des Einsatzes polnischer Streitkräfte zunächst in Irak und jetzt am Hindukusch wirksam begegnen soll. Journalisten werden ins ferne Land eingeladen, um »Friedenswerke« zu besichtigen, Entwicklungshelfer und ISAF-Soldaten zu treffen. Und in Warschau soll ein ständiges Büro eingerichtet werden, das die Unterstützung »für unsere tapferen Soldaten« propagiert.
Die Frage »Demokratiekreuzzug oder Eroberung« gewann erst am Dienstag wieder besondere Aktualität. In einem sechsstündigen Gefecht mit »rebellischen Kräften« im Norden der Provinz Ghazni wurden vier polnischen Soldaten verwundet und ein Offizier, der zunächst als verschollen galt, wurde tot aufgefunden. Es war der zehnte Pole, der den Einsatz am Hindukusch mit seinem Leben bezahlte. Diesmal auf einer »Patrouille« zu Fuß, denn weder gepanzerte Fahrzeuge noch schwere Mig-24-Hubschrauber (einer wurde gerade von den Taliban abgeschossen) eignen sich für den Einsatz im Hochgebirge.
Die Reaktionen darauf in der Heimat: 71 Prozent der am Dienstag Befragten forderten den sofortigen Rückzug der Truppen aus Afghanistan. Unter Militärexperten waren die Meinungen geteilt. General a. D. Stanislaw Koziej sagte im Rundfunk, man müsse in Zusammenarbeit mit den USA eine Strategie erwägen, den fernen Kriegsplatz allmählich zu verlassen. Die ebenfalls außer Dienst befindlichen Generäle Polko und Petelicki, beide in der Spezialtruppe »Grom« erprobte Haudegen, verlangten eine wesentliche Verstärkung der polnischen ISAF-Truppe.
Außenminister Radoslaw Sikorski meinte nur, er habe die Intensivierung der Talibanangriffe erwartet. Das Gefecht am Dienstag sei das schwerste seit Beginn des polnischen Einsatzes gewesen. Das Verteidigungsministerium plant nach eigenen Angaben, eine zusätzliche 200-köpfige »Entsatztruppe« nach Afghanistan zu schicken.
Befragt, ob die »Missionen« in Asien überhaupt Sinn hätten, antwortete Aleksander Szczyglo, Chef des Büros für Nationale Sicherheit im Präsidialamt, in einem Interview der Wochenschrift »Solidarnosc«: »Wenn wir schon 20 Milliarden Zloty an Haushaltsmitteln für die Armee ausgeben, dann muss man auch einen Nutzen davon haben.« Der Einsatz dort, im »Nest der Terroristen«, diene der Sicherheit der freien Welt und also auch unserer Bürger!
Anzumerken ist, dass alle im Sejm vertreten Parteien den Einsatz polnischer Truppen an der Seite der USA-Streitkräfte unterstützen.
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