Sachsen-Anhalts Sonne geht unter

Q.Cells feuert »einzigartige Mannschaft« – Wirtschaftsminister bietet Auffanggesellschaft an

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Überkapazitäten und daraus resultierende aggressive Preispolitik vor allem durch asiatische Wettbewerber und die nach wie vor spürbaren Auswirkungen der Finanzkrise – das lässt einen Leuchtturm Sachsen-Anhalts wanken. Q.Cells baut 500 Arbeitsplätze ab und setzt auf Kurzarbeit.

»Mit unbegrenzter Energie in die Zukunft« wollte der Hersteller von Photovoltaik stürmen. »Wir wachsen mit Licht«, pries man die Entwicklung, Herstellung und Vermarktung von leistungsfähigen Solarzellen aus mono- und multikristallinem Silizium. Q.Cells war Leuchtturm im Land. Was nun geschehe, sei exemplarisch für die ganze Branche, sagt Reiner Haseloff. Der CDU-Mann ist Wirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt und hat im Wahljahr ein zusätzliches Problem, wenn Q.Cells nun 500 Arbeitsplätze in der Produktion und in der Verwaltung am Standort Bitterfeld-Wolfen »abbaut«. Und zwar – wie das Unternehmen mitteilt – dauerhaft. Hinzu kommt »das Instrument Kurzarbeit«, das am Standort Thalheim weiterhin genutzt werden soll. Insgesamt sei so eine Reduzierung der Produktionskosten um ein Viertel zu erreichen, sagt eine interne Rechnung.

Offiziell liest man eine Hommage an die »einzigartige Mannschaft«, der man den großen Erfolg in der Aufbauzeit verdanke. »Natürlich schmerzt es uns, dass wir uns von vielen Mitarbeitern, die unser Unternehmen mit aufgebaut haben, trennen müssen.« Gemeinsam mit dem Betriebsrat werde man in den kommenden Wochen und Monaten die Maßnahmen – insbesondere den Personalabbau betreffend – zügig umsetzen, schreibt Q.Cells-Vorstandschef Anton Milner an Bundestagsabgeordnete, die ihren Wahlkreis in der Region haben. Dort ist die reale Arbeitsmarktsituation nur schwer zu beurteilen, weil die Agenturen für Arbeit sich nicht von Kreisgebietsreformen beeindrucken lassen. Im Bereich der zuständigen Agentur Halle sind 13,4 Prozent, im Bereich der gleichfalls zuständigen Agentur Dessau-Roßleben 13,7 Prozent aktuelle Arbeitslosigkeit vermerkt.

Das Unternehmen ist sich, so sagt sein Chef, »der Bedeutung von Q.Cells für die Region sehr bewusst«. Man habe »bei der Entwicklung des Maßnahmepaketes einer dauerhaften Fortführungsperspektive hier am Standort höchste Priorität eingeräumt«. Das freut den »betroffenen« Vize-Landrat von Anhalt-Bitterfeld Bernhard Böddeker: »Wir sollten jetzt den Blick nach vorn wenden, denn nach einem Tief folgt auch wieder ein Hoch.«

Schon bevor das Q.Cells-Tief über die Region kam, hätte Wirtschaftsminister Haseloff keinen Wahlkampf mit »Arbeit für alle«- Plakataufschriften geführt. Er sei – so sagte er im ND-Gespräch – schließlich nicht in der SPD. Ganz nebenbei schoss er so gegen den Magdeburger und Berliner Koalitionspartner seiner CDU. Haseloff kann der Q.Cells-Entscheidung sogar etwas Positives abgewinnen. Anders als bei Qimonda in Sachsen habe die Betriebsführung beizeiten darauf reagiert, dass Technologien überholt und auf dem Weltmarkt nicht mehr absetzbar sind. Er folgt der Firmenargumentation, laut der Q.Cells weiter investieren und insbesondere seine Forschungs- und Entwicklungskompetenz im Bereich Hochleistungszellen und Dünnschichtmodule vorantreiben will. Haseloff hat der Firmenleitung bereits am vergangenen Freitag »seine politische Bereitschaft zum Ausdruck gebracht«, für die Belegschaft »sehr flankierend tätig werden zu wollen«. Konkret? »Wir denken über die Etablierung einer entsprechenden Auffanggesellschaft nach.«

Heute will sich die Firmenleitung öffentlich erklären.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -