Bisher lahmten die UCK-Ermittlungen

Den Haag vor erstem Prozess gegen Kosovo-Guerilla?

  • Martin Schwarz, Wien
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Offenbar bereitet Chefanklägerin Carla Del Ponte nun auch einen Prozess gegen ehemalige UCK-Mitglieder vor.

Nach Informationen des ND aus Den Haag arbeitet das Tribunal derzeit unter Hochdruck an einer Anklage gegen ehemalige Kämpfer der kosovo-albanischen »Befreiungsarmee« (UCK). Konkret sollen zwei mögliche Kriegsverbrechen Gegenstand einer Verhandlung vor dem Gericht sein: Das mutmaßliche Massaker an serbischen Zivilisten im kosovo-albanischen Ort Klecka im August 1998 und die Morde in einem provisorischen Gefängnis der UCK im Ort Volujak. Dort wurden sechs Leichen von Serben gefunden. Bei seinem ersten Auftritt vor dem Kriegsverbrechertribunal hatte der jugoslawische Ex-Präsident Slobodan Milosevic die Rechtmäßigkeit des Gerichts rundweg bestritten. Das wirft ihm den Tod von 577 namentlich aufgeführten Albanern aus Kosovo vor. Sie sollen 1999 den systematischen Tötungsaktionen serbischer Truppen zum Opfer gefallen sein, wie Chefanklägerin Carla Del Ponte in ihrer Anklage schreibt. Daneben wird versucht, Milosevic Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schwere Verstöße gegen das Kriegsvölkerrecht nachzuweisen, in deren Folge etwa 740000 Kosovo-Bewohner albanischer Herkunft gewaltsam vertrieben worden seien. Im Herbst will Del Ponte möglicherweise auch noch eine Anklage wegen Völkermordes in Bosnien und Kroatien nachreichen. Milosevic wiederum argumentiert, durch das Verfahren sollten die Verbrechen der NATO legitimiert werden, und überhaupt sei das Tribunal eine juristische Marionette des westlichen Militärbündnisses. Tatsächlich ist die rechtliche Grundlage des Tribunals nicht allzu stabil, doch zumindest dem Vorwurf »NATO-Marionette« will Del Ponte mit den UCK-Ermittlungen begegnen. Zumindest das mutmaßliche Massaker in Klecka gilt in Gerichtskreisen in Den Haag als »Klassiker der Vorgehensweise der UCK«, so ein Mitarbeiter des Tribunals. 22 Serben starben bei der Aktion, darunter auch Frauen und Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren. Schon im Dezember 1999 leitete ein Pathologenteam der EU einen 502 Seiten starken Bericht über den möglichen Tathergang an das Kriegsverbrechertribunal weiter, doch geschehen ist bislang nichts. Dabei hätte sich das Tribunal zwei unmittelbar Verdächtige eigentlich nur aus Jugoslawien abzuholen brauchen: Vor wenigen Wochen wurden die beiden kosovo-albanischen Brüder Ljuan und Bekim Mazreku von einem Gericht im serbischen Nis zu jeweils 20 Jahren Freiheitsstrafe wegen Terrorismus im Falle Klecka verurteilt. Vor rund einem Monat wiederum hat Carla del Ponte begonnen, Mitglieder des EU-Pathologenteams - darunter dessen Leiterin Helena Ranta - als Zeugen zu vernehmen, um eine Anklage vorzubereiten. Noch ist das Verfahren geheim, doch schon jetzt scheint klar, wer bald in Den Haag aussagen muss: Agim Ceku, ehemaliger UCK-Kommandant und nunmehriger Chef des Kosovo-Schutzkorps (TMK), dürfte von dem möglichen Massaker zumindest gewusst haben - sein damaliges Hauptquartier befand sich nur einen knappen Kilometer vom Fundort der Leichen entfernt. Ebenfalls in der Nähe von Cekus Hauptquartier fand eine britische KFOR-Einheit im vergangenen Jahr in vier unterirdischen Bunkern ein riesiges Waffenarsenal der UCK, von der Pistole bis zum Granatenwerfer. Für das Hager Tribunal besteht nun die Möglichkeit, die in Serbien wegen Terrorismus einsitzenden Brüder Mazreku auch wegen Kriegsverbrechen anzuklagen. Doch mehr als ein bisschen Kosmetik zur Behebung des anti-serbischen Images des Tribunals wäre das nicht. Ob das Gericht tatsächlich an einer Aufklärung der mutmaßlichen Gräueltaten beider Seiten in Kosovo interessiert ist, wird sich erst zeigen, wenn auch versucht wird, die Befehlskette für Exzesse wie Klecka oder Volujak bis zu d...

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