Bodenreform: Skandalchronik zur Affäre

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine »Skandalchronik« legt der Rechtsanwalt Thorsten Purps nach eigenem Bekunden vor. Brisante Fakten habe er in seinem Buch »Vom Staat enterbt« enthüllen können, betont er. Es geht ihm um die Bodenreformaffäre im Land Brandenburg, aber nicht nur darum. Auch den Erben in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen soll Recht geschehen. An den Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) appelliert Purps am Dienstag: »Geben Sie die Grundstücke an die Neusiedler-Erben zurück.«

Bekanntlich ließ sich das Land Brandenburg in 10 200 Fällen anstelle angeblich unbekannter Erben von Bodenreformland in die Grundbücher eintragen oder hatte dies beantragt. Der Bundesgerichtshof rügte dieses Verfahren als sittenwidrig, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss beschäftigte sich mit der Affäre. Es gehe um 180 Quadratkilometer vorwiegend landwirtschaftlich genutzter Fläche mit einem Wert von insgesamt 90 Millionen Euro, erzählt Purps. An mehreren Beispielen versucht er in seinem Buch zu belegen, das Land habe wegen des Geldes gar kein Interesse daran gezeigt, wirklich Erben zu finden. Außerdem greift Purps die Vorschrift an, dass Erben nur einen Anspruch haben, wenn sie am Stichtag 15. März 1990 in der ostdeutschen Landwirtschaft tätig waren.

Nach Darstellung des Rechtsanwalts, der in mehr als 400 Verfahren zur Bodenreform prozessierte, haben zwei Zeugen aus dem Potsdamer Finanzministerium vor dem Untersuchungsausschuss gelogen. Er könne das beweisen. So habe der einstige Abteilungsleiter Helmut Baesicke behauptet, es sei von Beginn an das Ziel des Ministeriums gewesen, dass ordentlich nach Erben gesucht werde. Dabei habe das Finanzministerium gebeten, bloß das Notwendigste zu tun, nur minimal nachzuforschen, wie ein Schreiben vom 4. Mai 2000 belege. Er erwäge, Strafanzeige gegen Baesicke und gegen den zweiten Zeugen, den früheren Referatsleiter Harry Bay zu stellen, sagt Thorsten Purps. Derweil engagiere sich das Finanzministerium weiterhin zu wenig.

Diesen »alten Vorwurf« weist Ministeriumssprecher Ingo Decker zurück. »Wir mauern nicht«, betont er. Man habe Anzeigen in der Presse geschaltet, woraufhin sich Erben meldeten. Bislang seien 279 Grundstücke zurückgegeben worden.

Für Linksfraktionsgeschäftsführer Christian Görke ist nicht neu, was Purps gegen Behörden und Justiz vorbringt. Bereits im Dezember 2008 habe sich die Linksfraktion deswegen an den Generalstaatsanwalt gewandt, erinnert Görke. Die damalige Entscheidung der Staatsanwaltschaft, »trotz umfangreicher und eindeutiger Indizien« keine Ermittlungen aufzunehmen, sei damals wie heute auf großes Unverständnis in der Linksfraktion gestoßen. Zuletzt habe die Linkspartei die Regierung im April 2009 aufgefordert, »Konsequenzen aus dem Urteil zu ziehen und weiter intensiv nach Erben zu suchen«.

Am 17. September will die Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE) vor dem Bundestag demonstrieren. Der ARE-Bundesvorsitzende Manfred Graf von Schwerin wehrt sich gegen den Eindruck, die Aktionsgemeinschaft sei eine Vereinigung ehemaliger Gutsbesitzer, die gar kein echtes Interesse daran habe, dass die Erben der Neubauern ihr Land bekommen. Mit der Idee der Bodenreform von 1945, hätte er sich anfreunden können, versichert der Graf. Umsiedlern, die alles verloren hatten, Land zu geben, wäre in Ordnung gewesen – wenn man den Gutsbesitzern 100 Hektar gelassen hätte.

Thorsten Purps: »Vom Staat enterbt«, Mitteldeutscher Verlag, 200 Seiten (brosch.), 14,90 Euro

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