Leben und Sterben in Metropolis

Die Fernsehdokumentation »24h Berlin« wird am Samstag gesendet

  • Barbara Schneider, epd
  • Lesedauer: 3 Min.

6 Uhr 38. Justizvollzugsanstalt Tegel. Kurt Lummert frühstückt in seiner Zelle. Einmal in der Woche gibt es Brötchen, erzählt der 59-Jährige, der wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Etwa zur selben Zeit wartet Dieter Eichert im Krankenbett der Charité auf seine Bypass-Operation. Und der letzte Fischer auf dem Müggelsee, Andreas Thamm, holt gerade seine Reusen ein.

Es ist Freitag, der 5. September 2008. Insgesamt 80 Kamerateams sind seit sechs Uhr morgens unterwegs, um den Rhythmus der Stadt einzufangen, Stadtpanoramen zu filmen und das Leben in der Großstadt zu porträtieren. 24 Stunden lang. Genau ein Jahr später, wieder am 5. September, soll die Dokumentation nun im Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) sowie im Kultursender Arte ausgestrahlt werden.

Die Idee zu »24h Berlin«, einem 2,8 Millionen Euro teuren und von RBB und Arte koproduzierten Großprojekt, kam von Regisseur Volker Heise und Produzent Thomas Kufus. Hierfür haben sie namhafte Dokumentarfilmer gewonnen: Rosa von Praunheim und Andres Veiel sind darunter, Volker Koepp und Romuald Karmakar. Sie haben die Menschen und ihren Alltag in der Stadt aufgenommen. 20 Hauptpersonen und 50 Nebenprotagonisten gibt es: einen Müllwerker, einen Talmudschüler, einen französischen Journalisten, eine dunkelhäutige Schülerin und eine Dichterin, die ihre Werke in der S-Bahn vorträgt. Auch Prominente haben sich mit der Kamera begleiten lassen: der Dirigent der Staatsoper, Daniel Barenboim, sowie »Bild«-Chefredakteur Kai Diekmann.

»Die Stadt setzt sich aus verschiedenen Milieus zusammen«, beschreibt der gebürtige Kreuzberger Heise seine Idee: Die vielen Migrantengruppen in der Stadt, die hohe Anzahl an Singles und alten Menschen. »Wir wollen wissen: Wie leben diese Menschen heute? Wie erziehen sie ihre Kinder? Welche Fernsehprogramme sehen sie? Was essen sie?«, beschreibt Heise das Anliegen des Projekts.

Drei Jahre habe die Umsetzung von der Idee bis zum Film gedauert, erklärt Kufus. Zwölf Monate sei intensiv recherchiert worden. Insgesamt 750 Stunden Material hat das Team um Heise und Kufus aus allen Ecken der Stadt zusammengetragen. Niemand innerhalb des Projekts habe bei der Auswahl der Sequenzen das gesamte Material sehen und auch noch den Überblick bewahren können, so Kufus.

Damit das 24-Stunden-Programm nicht langweilig wird, haben sich die Macher einiges einfallen lassen: An mehreren Orten der Stadt wurden Berlinerinnen und Berliner zur Stadt, zu ihren Zukunftswünschen oder ihrer Lebenseinstellung befragt. Auf der Webseite www.24hberlin.tv konnte jeder Berliner seinen persönlichen, mit Handy oder Digitalkamera aufgenommenen Beitrag hochladen. Einige dieser Filme sind auch in das Fernsehprogramm eingeflossen.

Ob der Alexanderplatz, die Spree oder der Fernsehturm – immer wieder werden auch Stadtimpressionen eingeblendet. Gedreht wurde im Sozialgericht, an der Currywurstbude und im Kanzleramt. Statistiken, Kurznachrichten und Hintergrundinformationen reichern das Filmmaterial zusätzlich an.

Erzählschlaufen, Rückblenden und die mehrfache Vorstellung der Protagonisten sollen den Wiedereinstieg ins Programm ermöglichen. Denn, davon geht Heise aus, kaum jemand wird 24 Stunden nonstop das Programm ansehen. Gezeigt wird »24h Berlin« nicht nur auf RBB und Arte, sondern auch als Livestream auf der Internetseite www.theauthors.com. Zudem beteiligen sich das finnische Fernsehen YLE Teema und der niederländische Sender VPRO an der 24-stündigen Ausstrahlung.

Im Mittelpunkt, so der Grundtenor des Films, steht die Normalität. Ausgespart werden weder Krematorium, noch Gefängnis, noch Krankenhaus. Oder wie es in der Anmoderation heißt: »Dies ist die Geschichte eines Tages im Leben der Stadt Berlin. Es ist ein ganz gewöhnlicher Tag. Es haben sich keine besonderen Ereignisse angekündigt. Die Menschen werden aufstehen und zur Arbeit gehen, sich lieben und hassen, sie werden geboren, sterben.«

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