EU soll Schiffbau retten

Beschäftigte demonstrieren für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze

  • Hermannus Pfeiffer, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Mehrere tausend Beschäftigte der norddeutschen Werften und ihrer Zulieferer gehen heute und am Freitag für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze auf die Straße. In zahlreichen Städten entlang der Küste haben die Gewerkschaft IG Metall und viele Betriebsräte Kundgebungen und andere Aktionen geplant.

Die Weltwirtschaftskrise hat den Schiffbau besonders hart getroffen. Mit dem Versiegen der globalen Handelsströme verfielen die Charterraten, die für Schiffsraum gezahlt werden, seit dem Sommer 2008 von durchschnittlich 40 000 Dollar pro Tag auf unter 5000 Dollar. In der Folge stornierten viele Reeder weltweit ihre Schiffsbauaufträge. Auch in Deutschland brachen die Aufträge ein: Wurden im Jahr 2007 noch 70 Neubauten bei deutschen Werften bestellt, waren es in diesem Jahr bis Juli nur noch nur noch 9.

Zu den globalen kamen hausgemachte Probleme. Erleichtert wurde den internationalen Reedern der Ausstieg hierzulande durch die Werften selber. Viele Vorstandsmanager hatten in der Hochkonjunktur leichtsinnig vage Verträge akzeptiert, die dem Besteller jederzeit einen Ausstieg ohne hohe Konventionalstrafen erlauben. Außerdem hatten einige Werften wie Wadan auf den vergleichsweise simplen Bau von Containerschiffen gesetzt. Das ging solange gut, wie die preiswerteren, staatlich subventionierten Werften in China und Korea mit anderen Aufträgen ausgebucht waren. Diese Spekulation platzte jedoch mit dem Niedergang des Welthandels.

Nicht allein der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) sieht nun »eine Schlüsselindustrie in Gefahr«. Auch Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hält die maritime Wirtschaft für »eine der wichtigsten Zukunftsbranchen«. Auch darum sieht die Gewerkschaft die Politik erneut gefordert, die bereits nach 1990 den Schiffbau an Nord- und Ostsee mit Milliardensummen gefördert hat. »Es geht um uns und unsere Arbeitsplätze und die Zukunft der Standorte – das wollen die Beschäftigten der norddeutschen Werften und Zulieferer deutlich machen«, erklärte Jutta Blankau, Bezirksleiterin der IG Metall Küste in Hamburg.

Geplant sind deshalb Aktionen unter anderem in Rostock und Stralsund, Bremen und Kiel. Blankau: »Mit einem Rettungsboot werden wir in Bremerhaven zeigen – es ist fünf vor zwölf und damit höchste Zeit, etwas für den Erhalt der Arbeitsplätze im Schiffbau zu tun.«

Die Gewerkschaft sucht ein koordiniertes Handeln für die Zukunft der deutschen und europäischen Schiffbauindustrie. So fordert die IG Metall die Finanzwirtschaft auf, ihre Kreditklemme zu lösen: »Banken dürfen die Werften nicht hängen lassen!« Der Staat soll ergänzend Garantien für die Abnahme fertig gestellter Schiffe übernehmen. Die Bundesregierung ist gefordert, Forschung, Entwicklung und Innovation stärker voranzutreiben. Schiffbau und Schifffahrt müssen nach dem Willen der IG Metall auch umweltgerechter werden. Dazu soll die Europäische Union (EU) Förderprogramme zur Abwrackung oder Umrüstung alter und umweltschädlicher Schiffe auflegen.

Auf der zentralen Kundgebung in Bremerhaven wird auch EU-Industriekommissar Günter Verheugen sprechen. Der Sozialdemokrat gilt seit längerem als Kenner des Schiffbaus und billigt ihm eine strategische Bedeutung für die europäische Industrie zu. Denn der Schiffbau bleibt ein europäisches Thema: Auch Werftarbeiter aus den Niederlanden, Spanien und Frankreich werden zur Demonstration erwartet.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -