Ist die Wahl schon gelaufen?

Robert Habeck über Schleswig-Holsteins Grüne im Landtagswahlkampf / Robert Habeck ist seit 2004 Landesvorsitzender der Grünen in Schleswig-Holstein

  • Lesedauer: 3 Min.

ND: Bündnis 90/Grüne als Zünglein an der Waage – eine gute Vorstellung, so begehrt zu sein?
Habeck: Im Moment gibt es vor allem die extrem hohe moralische Erwartung an uns, nach dem demokratieschädlichen Abgesang der CDU-SPD-Regierung für eine andere politische Kultur zu stehen.

Was bewegt die Menschen derzeit am meisten?
Im Norden, wo ich wohne, die CO2-Verpressung, die RWE hier plant. Landesweit das HSH Nordbank-Desaster und das AKW Krümmel.

Was antworten Sie darauf?
CO2-Verpressung ist nur ein trojanisches Pferd, weitere Kohlekraftwerke zu bauen. Beides muss man verhindern. Die Aufklärung der HSH Nordbank-Verantwortlichkeit muss ohne Ansehen von Personen oder Koalitionen nach der Wahl weiter gehen. Ich erwarte endlich ein Fehlereingeständnis der Verantwortlichen und keine Salamitaktik mehr. Bezogen auf die AKWs Krümmel und Brunsbüttel muss Vattenfall die Betriebserlaubnis entzogen werden.

Gibt es in einem Land, das fast pleite ist, noch Spielräume?
Ein paar Dinge kosten nichts, etwa mehr Autonomie für Schulen und Hochschulen oder die Überlassung leer stehender Landesliegenschaften an Künstler. Ferner E.on zum Netzausbau zu zwingen oder mehr Umweltschutz. Richtig ist, dass es im Sozial-, Bildungs- und Kulturbereich kaum Spielraum gibt. Um das zu ändern, muss die nächste Regierung sich um die Schaffung von Altschuldenfonds, Hochschullastenausgleich, Bildungssoli und die Aufhebung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich kümmern.

Sie gehen mit vielen neuen Gesichtern in den Landtagswahlkampf. Weshalb blieb der bisherige Fraktionschef Karl-Martin Hentschel bei der Listenbildung auf der Strecke?
Die Listenaufstellung wurde von der Partei so gewollt. Solche Wahlen sind bei uns einfach härter, weil kein Landesvorsitzender vorher moderierend eingreift oder Friedenslisten bastelt.

Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die LINKEN den Einzug in den Landtag schaffen.
Ideologische Vorbehalte habe ich nicht, wenngleich ich für Ismen, Doktrinen und Lehren keinen Sensor habe. Auf kommunaler Ebene arbeite ich mit der LINKEN gut zusammen. Der Landesverband ist aber nie geschlossen in Erscheinung getreten, sondern nur als Haufen von Gruppen, die sich über Schiedsgerichte bekämpfen. Das macht sie nicht gerade zu einem Ansprechpartner. Inhaltlich sind ihre Forderungen wie ein landesweit kostenfreies Verkehrsticket wirklichkeitsfern.

Werden Regierungskonstellationen nach dem 27. September ähnlich wie in Thüringen von Spitzenpersonalien abhängig gemacht?
Nicht von uns oder mir. Wir beteiligen uns nicht an dieser Ausschließerei. Die Diskussion hat dem Land nicht gutgetan. Wenn es einen neuen Aufbruch geben soll, dann sicher nicht, indem man den alten Stil fortsetzt.

Ihrer Partei werden aktuell 12 Prozent vorhergesagt. Ist die Wahl schon gelaufen?
Schwarz-Gelb verliert pro Woche ein Prozent. Noch ist nichts gelaufen. Die größte Unbekannte liegt bei den Freien Wählern, die vor allem der FDP konservative Wechselwähler-Stimmen abnehmen könnten.

Fragen: Dieter Hanisch

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