Ritter der Konserve
»Don Quijote« als Multimedia-Oper
Rosinante wackelt. Etwas hat sich verhakt, einen Moment lang drohen Ross und Reiter umzukippen, doch Sancho Pansa zieht und schwitzt und schafft es schließlich, den störrischen Gaul durch die Tür zu schieben. »Also wirklich, Rosi«, murrt der treue Diener vorwurfsvoll, während Don Quijote völlig unberührt im Sattel bleibt, den Blick stolz in die Ferne gerichtet. Einen Ritter bringt so leicht nichts aus der Fassung, sei auch seine Rüstung aus Blech, seine Waffen aus Plastik und sein Pferd ein Einkaufswagen mit einem Auspufftopf als Kopf.
Mit unbändiger Spielfreude, Fantasie und Witz hat das Musiktheater canteatro Jules Massenets vor 99 Jahren uraufgeführte Oper »Don Quijote« als modernes Multimedia-Opernmärchen in Wohnzimmer-Atmosphäre inszeniert. Eingedampft auf das Notwendigste an Personal – vier Bühnenkünstler, die singen, schauspielern und auch noch Musik machen, dazu eine Pianistin und eine Querflöte – ist das Gesangsstück um Cervantes’ Ritter von der traurigen Gestalt vor allem eine Huldigung an alle Träumer und Idealisten, die den Mut haben, ihre verrückten Ideen zu leben.
»Das Leben ist schön« lautet der Untertitel der Musikinszenierung, die Don Quijote als liebenswerten Narren mit Hang zum Größenwahn präsentiert; eine lächerliche Figur mit stumpfem Schwert, einer zusammen gestückelten Rüstung und altmodischem Gebaren, gefangen in der falschen Zeit und doch voller Würde.
Detlef Bittroff spielt und singt diesen selbst ernannten »Kämpfer für die Liebe« mit sparsamer Mimik. Selbstbewusst und mit herrschaftlicher Attitüde scheucht er seinen treuen Diener Sancho Pansa herum, den Multitalent Christoph Klemke – Schauspieler, Sänger, Cellist und Sounddesigner – als mürrischen Frauenfeind mit Hang zu Essen und Wein gibt.
Feline Lang singt und tanzt die verehrte Dulcinea als labiles Wesen zwischen Sehnsucht und Spott, spielt außerdem Geige und ist für Regie und Arrangements der Inszenierung verantwortlich – eine beachtliche Leistung. Selbst die Übersetzung ins Deutsche hat canteatro-Leiterin Lang zusammen mit Dramaturgin Sabine Hayduk übernommen. Da mag die eine oder andere Zeile ein wenig holprig klingen, insgesamt ist dem kleinen Ensemble eine witzige, moderne Rezeption der tragikkomischen Massenet-Oper gelungen.
Kostüme und Bühnenbild sind einfach, aber wirkungsvoll gehalten. Steril weiß ist die Kleidung von Musikern und Darstellern, die dadurch wirken wie Pflegepersonal in der Psychiatrie – außer der Hauptfigur natürlich. Die trägt Reitstiefel, Umhang und einen aus Blechabfällen zusammengesetzten Schild.
19./20.9., 9.10., 19.30 Uhr; canteatro, Wiesenweg 5-9, Lichtenberg, Tel. 20 06 69 98, Infos unter www.canteatro.com
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