Mehr Druck für Überwachungsdruck

CDU hat weiter linksextreme Szene im Visier / Abgeordneten-Debatte zum Landesgeheimdienst

  • Rainer Funke
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Analyse über die Arbeit des Berliner Geheimdienstes 2008 – genannt Verfassungsschutzbericht – stammt zwar vom Mai dieses Jahres. Doch waren die Abgeordneten des Verfassungsschutz-Ausschusses aufgrund aktueller Geschehnisse nicht dazu gekommen, das umfängliche Papier zu bewerten. So konnte sich Claudia Schmid, Chefin des Amtes, gestern am ungewohnt einhelligen Lob von SPD, Linkspartei, Grüne, FDP und CDU über das Tun ihrer 182 Geheimdienst-Mitarbeiter erfreuen.

Natürlich meinten nicht alle dasselbe. Andreas Gram (CDU) blieb durchaus bei seinem seit längerem erhobenen Vorwurf, das Amt behandele den linken Extremismus nicht mit dem gebotenen Ernst. Das hänge offenbar auch damit zusammen, dass gewisse Kreise im Senat – finsterer Blick in Richtung Linkspartei-Bank – das Ansinnen linksextremer Gruppen tolerierten. Irgendwann, so Gram, würden wegen brennender Autos Menschen zu Schaden kommen.

Marion Seelig (Linkspartei) wiederholte deshalb zum kaum noch zu zählenden Mal, dass ihre Fraktion jedwede Anwendung von Gewalt ablehnt, von welcher Seite sie auch immer komme. Ansonsten, sagte Seelig, zeige der Geheimdienstbericht, wie differenziert sich die politische Landschaft in Berlin darstellt. Im Übrigen müsse man sich tatsächlich z. B. mit der Finanzkrise und ihren Folgen auseinandersetzen, wie das im Bericht als linksextremistisch bezeichnete autonome Gruppen auch auf der Straße tun. CDU-Vertreter Sven Rissmann beharrte darauf, dass die linksextremistische Szene »stärker unter Überwachungsdruck gesetzt« werden müsse.

Dass es in Berliner und anderen Rechtsextremismus-Kreisen teils selbstzerstörerischen Streit gibt, ganze Kreisverbände aus der NPD ausgetreten sind und die Kameradschaften sich krampfhaft mühen, neue Strukturen aufzubauen, wie die Geheimdienstanalyse hervorhebt, nannte Tom Schreiber (SPD) auch einen Erfolg zivilgesellschaftlicher Aktivitäten.

Berlins Verfassungsschutz sei anderen Ämtern und Verwaltungen, auch dem Innensenat, weit voraus, meinte Dirk Behrend (Grüne) an anderer Stelle. Die Mitarbeiter bestünden fast zur Hälfte aus Frauen und verdienten auch in etwa dasselbe.

Den Vorwurf der CDU, Innensenator Ehrhart Körting pflege Kontakte zu islamistischen Gruppierungen wie der türkischen Islamistenorganisation Milli Görüs (IGMG) und mache sie dadurch hoffähig, wies der SPD-Politiker zurück. Es gebe bekanntlich viele gefährliche terroristische Bestrebungen in Berlin. Im Sinne einer vernünftigen Sicherheitspolitik halte er es für korrekt, mit allen Gruppierungen zu reden, die einen erheblichen Einfluss auf die türkisch sprechende Bevölkerung ausüben und Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele strikt ablehnen. Ziel sei es dabei dazu beizutragen, dass bestimmte Strömungen keinen Zulauf haben.

Milli Görüs ist mit 27 500 Mitglieder größte islamistische Organisation im Lande und wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Körting hatte nach Einladung der IGMG anlässlich des endenden Fastenmonats Ramadan einen Besuch abgestattet. Der Senator wies darauf hin, eine deutliche Ansprache gehalten zu haben. In der Organisation müsse sich etwas bewegen, um in der hiesigen Verfassungsordnung anzukommen, etwa, was die Rolle der Frau anbetrifft. Zudem distanziere sich Milli Görüs nicht ausreichend von Formen des Antisemitismus.

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