Zerrissenes Thailand

Zehntausende demonstrierten am dritten Jahrestag des Militärputsches in Bangkok

  • Mark Teufel, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.
Drei Jahre nach dem Militärputsch vom 19. September 2006 offenbarten sich erneut die doppelte Moral und der Riss, der sich durch die Gesellschaft Thailands zieht.

Während in Gelb gekleidete Anhänger der Volksallianz für Demokratie (PAD) zur kambodschanischen Grenze zogen, um »die Nation und den König zu schützen«, wie sie selbst behaupteten, demonstrierten in Bangkok Rothemden gegen den Militärputsch, für die außer Kraft gesetzte demokratische Verfassung des Landes, für Neuwahlen und die Rückkehr des gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra.

Die Gelben hatten im vergangenen Jahr im Kampf gegen die damalige gewählte Regierung einen Fernsehsender gestürmt, die Regierungsgebäude für Monate besetzt und die internationalen Flughäfen lahm gelegt. Ihre Anführer wurden dafür nie bestraft. Ihr politisches Ziel ist die Entmachtung der Wähler durch die Bildung eines weitgehend ernannten Parlaments und eine Erweiterung der Machtbefugnisse des Militärs und des Königs.

Am Sonnabend machten sich etwa 4000 PAD-Demonstranten auf den Weg zur Grenze mit Kambodscha, an der es im vergangenen Jahr im Streit um die Zugehörigkeit des Tempels Preah Vihear bereits zu bewaffneten Auseinandersetzungen zischen den Streitkräften beider Staaten gekommen war. Zunächst durchbrachen die Gelben Blockaden von Bewohnern der Region. Die Kämpfe wurden mit Knüppeln, Steinen und Macheten ausgetragen, dabei wurden mehrere Dutzend Teilnehmer verletzt. Die Regierung, zu der auch PAD-Mitglieder gehören, musste schließlich den Ausnahmezustand erklären. Das Militär ließ die Demonstranten auf dem umstrittenen Gelände vor dem Tempel jedoch eine Souveränitätserklärung verlesen.

Die Rothemden dagegen hatten im April bei ihren Demonstrationen für die Wiedereinführung der Verfassung von 1997 im ganzen Land bis zu 400 000 Menschen auf die Beine gebracht. Auseinandersetzungen mit blau gekleideten Gegendemonstranten nahm Premierminister Abhisit Vejjajiva zum Anlass, Sicherheitskräfte mit Panzern gegen die Demonstranten aufmarschieren zu lassen. Hunderte wurden verletzt, mindestens zwei Menschen starben. Dutzende von Anklagen gegen Rothemden wurden erhoben, Radiosender und Zeitschriften wurden geschlossen, Webseiten blockiert.

Am Sonnabend wandte die Regierung gegen die Rothemden das umstrittene Sicherheitsgesetz an, das Bürgerrechte aufhebt und Sicherheitskräften für ihre Taten von vornherein Amnestie erteilt. Premier Vejjajiva warnte vor »Unruhestiftern« und Bombenanschlägen und die Polizei erklärte, neuartige Schallwaffen und Wasserwerfer einsetzen zu wollen.

Auf Grund der massiven Drohungen waren es diesmal weniger Demonstranten, aber immer noch etwa 30 000, die sich friedlich in Bangkok versammelten und nach einer über Video übertragenen Rede Thaksin Shinawatras nach Hause gingen. Nicht ohne vorher eines Taxifahrers zu gedenken, der sein Taxi in einen Panzer gefahren hatte und sich anschließend erhängte, um gegen den Coup zu demonstrieren.

Das Idol vieler Demonstranten in Rot, der im Exil lebende gestürzte Premier Thaksin, war in Thailand wegen Korruptionsvorwürfen in Abwesenheit zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden.

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