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Ein verlässlicher Mann der Ideen
Der Linkspartei-Politiker Heinz Vietze verabschiedet sich von seinen Mitarbeitern im Landtag
Als der umstrittene CDU-Politiker Jörg Schönbohm vor einer Woche vor Journalisten eine Bilanz seiner politischen Tätigkeit in Potsdam zog, gab es nur einen Politiker, den er wirklich gelobt hat: Heinz Vietze von der Linkspartei. Von dem bemerkte Schönbohm anerkennend, er sei »wirklich verlässlich« gewesen.
Was für Schönbohm eine überraschende Erkenntnis war, verstand sich für Vietzes Freunde und langjährige Mitstreiter von selbst. Gestern verabschiedete sich Heinz Vietze nach vier Legislaturperioden von den Landtagsmitarbeitern seiner Partei. Als Parlamentarischer Geschäftsführer hatte er 19 Jahre lang mit daran gearbeitet, dass die Sozialisten sich von der verlachten und verachteten SED-PDS zur unangefochten zweitstärksten politischen Kraft im Land Brandenburg entwickelten.
Dass Heinz Vietze daran einen unbestritten erstrangigen Anteil hat, sagte gestern zwar niemand. Aber alle wussten es. »Ohne dich wäre es so nicht gegangen«, meinte Christian Görke, der Vietzes Nachfolger im Amt des Parlamentarischen Geschäftsführers ist.
Seit 1990 wandelte sich der letzte SED-Bezirkssekretär Vietze in den Augen seiner politischen Gegner von einem Hassobjekt zu einer Instanz. Nicht nur innerhalb der Partei spricht man von »Heinz«, auch außerhalb. Wenn es was zu bereden gab, wenn Klärungsbedarf bestand, wenn eine verfahrene Situation zu bereinigen war, dann ging auch die politische Konkurrenz nicht irgendwo hin. Sie ging zu Heinz.
Fraktionsmitarbeiter Detlef Janson schätzt an Heinz Vietze vor allem die menschlichen Qualitäten, die von der politischen Persönlichkeit nie zu trennen waren: »Wenn es Probleme gibt, ist Heinz der Mann, der alle Seiten an einen Tisch holt und reden lässt. Er ist ein Mensch, der zuhört. Und der dann Entscheidungen trifft, die wirklich gelten.«
Vietzes Qualitäten im zwischenmenschlichen Umgang lobt auch Referentin Dörte Putensen. »Wir werden seine Ideen vermissen, seine Politik-Folgeabschätzung, die immer so treffend war.« Vietze habe nicht nur die großen Dinge im Auge gehabt, sondern auch die der Kleinen, »also die Probleme derer, die nicht in der Hierarchie ganz oben standen«.
Viele haben es so dahergeredet, dass irgendwann in der Politik Schluss sein müsse und der Platz für Jüngere geräumt werden sollte. Für Heinz Vietze war das nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern Anleitung zum eigenen Handeln. »Je länger der Mensch damit wartet, um so schwerer fällt es, weil er sich immer mehr für unersetzbar hält«, gab der 60-Jährige gestern in der Feierrunde zu bedenken. »Eine Verjüngung stünde der politischen Szene gut zu Gesicht«, sagte er mit Blick auf die verknöcherten Zustände in Deutschland. Vieles heute erinnere in seiner Erstarrtheit sehr an die Situation in der DDR vor 1989.
War es für ihn in der Diktatur oder in der Demokratie stressfreier, wurde der bewährte Funktionär gestern gefragt: Seine Antwort: »Wenn man eine Frau hat wie ich, dann kommt man in beiden Systemen gut über die Runden.«
Heinz Vietze verlässt die politische Ebene, um sich als ehrenamtlicher Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu widmen. Das ist inzwischen ein weltweites Geschäft. Aber mit diesem Schritt weg vom Potsdamer Brauhausberg, wo er 1989/90 ein paar Wochen lang sogar noch als letzter SED-Bezirkssekretär residiert hatte, verlässt er auch nach fast 20 Jahren eine Truppe, in der er sich sehr wohl gefühlt habe. »Ihr wart ein gutes Team.«
Zwar verfügt die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die Vietze seit einiger Zeit leitet, keineswegs über die Summen der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung oder der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Doch kann Vietze aufgrund der Wahlergebnisse seiner Partei mit Zuwächsen rechnen, während die anderen aus den gleichen Gründen von hohen finanziellen Rössern etwas herunter müssen.
Fraktionsgeschäftsführer Rolf Kutzmutz sagte zum Abschied wie beschwörend: »Du kommst noch 120 Mal hier vorbei.« Heinz Vietze schüttelte den Kopf. Dann, nach kurzer Bedenkzeit: »Wenn ich viel Zeit habe, vielleicht.« Und alle fragten sich in diesem Augenblick: Wann sollte das sein?
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