Gebügelte Männerhemden
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung ließ über den Emanzipationsvorsprung des Ostens debattieren
Was haben Ostfrauen erlebt, die kurz nach der Wende in den Westen gegangen sind? Zum Beispiel den Hauswirtschaftsunterricht der Tochter mit der steilen Frage: Wie bügle ich ein Männerhemd?
Die Frage wurde am Montag Abend zwar nicht beantwortet, als Gesine Lötzsch, Vize-Chefin der Linksfraktion im Bundestag, auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Hohenschönhausen mit der Publizistin Daniela Dahn und zwei Ostfrauen, die seit Jahren im Westen leben, darüber debattierte. Es ging ja auch nicht wirklich um gebügelte Männerhemden, sondern um das Frauenbild in Ost und West vor und nach der Wende. Und das fällt noch immer auseinander. Die Quote berufstätiger Frauen ist im Osten nach wie vor höher als im Westen. Aber beide Zahlen nähern sich an – durch Arbeitslosigkeit. Doch die sogenannte Erwerbsneigung ostdeutscher Frauen ist nach wie vor ungebrochen. Woran liegt das?
Am fortschrittlichen DDR-Familiengesetz zum Beispiel, sagte Daniela Dahn. Frauen haben in der DDR selbstverständlich gearbeitet und mussten ihrem Mann nicht den Haushalt führen. Der Mann konnte auch nicht den Arbeitsvertrag der Frau kündigen, so wie das im Westen bis in die 70er Jahre hinein möglich war. Und bei Scheidungen galt das Zerrüttungs- und nicht das Schuldprinzip. Dadurch hat der Osten eindeutig einen Emanzipationsvorsprung, sagte Daniela Dahn: »In der DDR galt es als Verfehlung, wenn Männer ihre Frauen an der Berufsausübung hinderten.«
Trotzdem hat das Setting im Westen Einfluss auf das Leben von Ostfrauen. Beate Schneider lebt seit 1992 in Baden-Baden. Die ehemalige Pionierleiterin ist dem Job nachgezogen, mit Mann und Sohn. Auf ein zweites Kind hat sie verzichtet. Beate Schneider sagt: »Ich wollte arbeiten und Mutter sein.« Anni Böse, als »Instandhaltungsmechaniker« seit 1994 in Baden-Württemberg, hat sich nicht nur oft »die Gusche verbrannt«, sondern wurde von männlichen Chefs immer beäugt: Was kann die jetzt? Und Daniela Dahn war auf ihren Reisen durch die alten Bundesländer »schockiert, dass sich ein Drittel der berufstätigen Frauen den Mutterwunsch versagte«. »Mit Freiheit hat das nicht so viel zu tun«, sagte die Autorin des jüngst erschienenen Buches »Wehe dem Sieger! – Ohne Osten kein Westen«.
Ostfrauen sind jedes Mal und immer wieder neu verwundert, wenn sie mit antiquierten Rollenmustern konfrontiert werden. Und sie lachen, wenn wieder mal eine Studie wie die von »Brigitte«, dem Fachblatt für Feminismus und Gendertheorie, mit brandheißen Ergebnissen aufwartet. Die Frauenzeitschrift titelt seit einem Jahr in regelmäßigen Abständen damit, dass junge Frauen jetzt alles wollen: Karriere und Kind. Und dass sie sich das nehmen, was sie wollen. Daniela Dahn lacht darüber nicht, sie ärgert sich darüber. Und sie wird sauer, wenn die bürgerliche Presse »so einen Quatsch« unhinterfragt verbreitet. »Wir (die Ostfrauen, d.A.) sind alle so«, sagte sie. »Und das schon seit einem halben Jahrhundert.«
Wenn Ostfrauen so toll sind, warum sind sie dann so unsichtbar? Warum haben sie die Republik nicht einfach umgekrempelt? Damals nicht, nach dem Mauerfall, und auch jetzt nicht, mit der Wirtschaftskrise. Diese Frage stellte die Debatte (leider) nicht. Um nicht falsch verstanden zu werden, Ostfrauen sind emanzipiert, selbstbewusst, eigenständig. Aber sie sind nicht aufmüpfig genug, sie haben ihren Vorsprung nicht genutzt. Statt dessen haben sie nach der Wende vor allem jene Eigenschaft eingesetzt, die insbesondere Westmänner an Ostfrauen so schätzen: ihren Pragmatismus. Damit retteten die Ostfrauen zwar ihre Familien und damit schützten sie vielfach sich selbst vor Arbeitslosigkeit, wenn auch oft unter ihrer Qualifikation. Aber damit verhinderten sie nicht, dass mit der Mauer auch elementare Frauenrechte abgebaut wurden, zum Beispiel das auf Abtreibung. Sie muckten auch nicht auf, als jede Menge prekärer Jobs für Frauen geschaffen wurden. Im Gegenteil, sie begaben sich ja selbst da hinein.
Auf die Frage, was Ostfrauen in den Westen eingebracht haben, antwortete Daniela Dahn: ein anderes Frauenbild. »Mir ist es lieber, wenn eine Frau sagt, ich bin Ingenieur, als wenn sie sagt, ich war Ingenieurin.« Und wie Ingenieure und Ingenieurinnen ein Männerhemd bügeln können, das steht heute hundertfach im Internet.
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