Mitbestimmung in Gefahr
Wissenschaftler der FU Berlin über Konsequenzen der Bundestagswahl
Die gute Nachricht zuerst: Das konservative Wählerlager ist kleiner als befürchtet. Der Kampf um die Gunst der Wähler zwischen Union und FDP gleicht einem Nullsummenspiel. Wie der Parteienforscher Richard Stöss anlässlich des »Expertenforums Bundestagswahl« erläuterte, habe sich die konservativ-liberale Anhängerschaft keinesfalls vergrößert – im Gegenteil. Auch die CDU habe in den Jahren der Großen Koalition massiv an Stimmen verloren, so Stöss. Liberale und Union machen sich vielmehr gegenseitig die Wähler streitig: »Was die CDU gewinnt, verliert die FDP und umgekehrt«, beschrieb Stöss das Phänomen. Trotzdem rechnet der Politologe mit einem Wahlsieg von Schwarz-Gelb.
Stöss erwartet, dass sich die drei linken Oppositionsparteien dann »in ihrer Kritik überbieten«. Ähnliches fürchtet übrigens auch SPD-Finanzminister Peer Steinbrück. Der Seeheimer sprach sich vor Kurzem für den Verbleib seiner Partei in der Großen Koalition aus, auch weil sich die SPD in der Opposition eine Art »Überbietungswettkampf« mit der Linkspartei liefern müsste: Ein Albtraum für den Minister, der sich momentan als großer Bankenregulierer präsentiert. Doch offenbar macht der Sozialdemokrat den Wählern etwas vor.
Wie Lutz Kruschwitz vom Institut für Bank- und Finanzwirtschaft in seinem Statement erläuterte, gehen die im Wahlkampf diskutierten Vorschläge zur Regulierung am Kern des Problems vorbei. Während sich SPD und CDU etwa um eine Begrenzung von Managergehältern oder die Haftung der Banken streiten, lasse man die wichtigen Missstände außen vor, kritisierte der Finanzmarktexperte. So habe keine der großen Parteien ein Konzept, wie man zukünftig verhindern will, dass eine Bank zu groß wird. Auch spiele die Kontrolle von Hedgefonds und Ratingagenturen derzeit keine Rolle. Dabei gebe es hier dringend Handlungsbedarf, mahnte Kruschwitz.
Doch immerhin, so der Kapitalmarktrechtsexperte Gregor Bachmann, sei die Regulierung von Märkten und Banken erstmals Wahlkampfthema der großen Parteien gewesen. Wobei die CDU sich mit konkreten Vorschlägen zur Regulierung »sehr bedeckt« gehalten habe. Trotz aller Schwammigkeit der Wahlprogramme: Eine schwarz-gelbe Regierung wird wohl an der betrieblichen Mitbestimmung »rumbasteln«, glaubt Bachmann. Ziel dieser »Bastelei« sei eine Verringerung des Anteils der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten deutscher Konzerne.
Fest steht: Unter Schwarz-Gelb würde die schleichende Privatisierung des Bildungswesens weiter voranschreiten. Dieter Lenzen, Erziehungswissenschaftler und FU-Präsident, glaubt, dass sich die FDP durchsetzen wird. Demnach müsste die Öffentliche Hand vermehrt Schulen finanzieren, die von privaten Trägern betrieben werden. So könnten besser verdienende Eltern das Schulgeld sparen.
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