Mindestlohn im Wahlzank

Politische Botschaft des Abgeordnetenhauses über die Landesgrenzen hinaus

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Ausrufezeichen wurde gesetzt. Die Koalition machte Mindestlohn und Vergaberecht nach ökologischen Kriterien gestern im Abgeordnetenhaus zur Entschließung. So wurde noch einmal kurz vor der Bundestagswahl klar, dass mit Rot-Rot Mindestlohn zu machen sei. Die Grünen machten starke Worte und verwandten sich kämpferisch für den Gesetzentwurf ihrer Bremer Kollegen, enthielten sich aber nur. Schwarz und Gelb stimmten dagegen. Wirtschaftssenator Harald Wolf (LINKE) fasste die über die Landesgrenzen reichende politische Botschaft zusammen: »In Berlin sieht man, in welchen Konstellationen es möglich ist, ein solches Gesetz zu verabschieden.«

Genau hier war der Kern der munteren Debatte der Aktuellen Stunde zum gerade erst am Dienstag vom Wirtschaftssenator vorgelegten und im Senat beschlossenen Vergabegesetz zu suchen. Hier wurde vor dem Wahlsonntag noch einmal kräftig für die eigenen Positionen geworben, wenn auch der Regierende Bürgermeister auf eine provokante Frage nach angeblich gebesserten Fahrtenbüchern vorsorglich und hinreichend zornig gemahnt hatte, man solle sich nicht »ankäsen«. Solches falle schließlich auf alle zurück.

Da hatte FDP-Fraktionschef und Bundestagskandidat Martin Lindner seinen üblichen Ton schon längst angeschlagen. »Was in Berlin passiert, darf kein Modell für Deutschland werden«, nahm er gewohnt unverblümt für sein Wahlziel Partei. Er hielt sich nicht mit Anstand auf, sondern rüpelte zehn Jahre zurück gegen den rot-grünen Übergangssenat mit »Wieland und Konsorten«, in der Gegenwart gegen das »Bündnis von Versagern«. Dessen Wirken offenbare, was an Zumutungen drohe, wenn Schwarz-Gelb keine Mehrheit bekomme. Rot-Rot gelte es zu verhindern in ganz Deutschland.

Die Koalition wolle ihr Vorhaben ja nur auf die Tagesordnung heben und populistisch ausschlachten, unterstellte Heiko Melzer (CDU). Der hatte zur Vorbereitung sein ND gelesen und sah darin offenbar den demonstrativen Verdacht seiner Partei auf künftig doch mögliche Bündnisse mit der LINKEN bestätigt. In der Sache machte er insbesondere geltend, dass der Gesetzentwurf debattiert werde, doch dem Parlament noch nicht vorliege. Aus der Koalition hieß es gelassen, die Dinge gingen ihren Gang, nach den Regeln sei erst einmal der Rat der Bürgermeister dran.

Jene Menschen, die morgens früh aufstehen, die in der Woche ihrer Arbeit nachgehen und sich schließlich doch Unterstützung holen müssten kamen bei Stefan Liebich (LINKE) als Beispiele namentlich vor. In 21 Ländern Europas gebe es bereits Mindestlöhne, doch sehe es mit Blick auf die Koalitionen schlecht aus für einen Mindestlohn in Deutschland. Schlaue hätten nun erkannt, meinte Liebich, dass »das, was wir hier tun«, mit der Bundestagswahl zu tun hätte. So regte er an, Parteien zu wählen, die für den Mindestlohn eintreten würden. CDU und FDP solle man eine Absage erteilen, meinte Frank Jahnke (SPD) und sprach von »schwarz-gelben Klassenkämpfern von oben«.

Zu den Fußnoten dieses Tages zählten dann gleich noch zweimal Christdemokraten. Junge Unioner hatten Tischtennisbälle nummeriert und in die Eingangshalle rollen lassen. Wer rätselte, dem wurde Bescheid, das sei Protest gegen die Auswahl für Gymnasien. Ausgerechnet hinter die SPD-Fraktion verbannt wurde der aus seiner Fraktion ausgetretene Verkehrsexperte Rainer Ueckert von der CDU. Die will ihn nun auch nicht mehr in ihren Reihen sitzen sehen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.