S-Bahn knausert bei Entschädigung
Vorerst sollen nur Stammkunden einen Ausgleich erhalten / Umfassendere Regelung »im Gespräch«
Am 13. Dezember soll bei der S-Bahn die Zeit der Notfahrpläne vorbei sein. »Dann werden wir wieder das volle Angebot auf die Gleise stellen können«, kündigte S-Bahn-Chef Peter Buchner am Donnerstagabend bei einem Forum des Fahrgastverbandes Igeb an. Zudem bestätigte er, dass im Dezember Stammkunden gratis fahren können. Was natürlich nicht ausreicht, wie auch Buchner selbst weiß. »Da muss noch was kommen«, sagte er und verwies auf Gespräche mit dem Senat und Fahrgastverbänden darüber, die Regelung auch auf andere Kundengruppen auszudehnen. Ergebnisse werden Ende nächster Woche erwartet.
Denn nach derzeitigem Stand sollen nur Inhaber von Jahreskarten, Abonnements und Firmentickets mit dem Gratis-Monat entschädigt werden, sofern sie im Dezember ein solches Ticket besitzen. Dazu zählen auch Azubi-, Schüler-, Geschwister und Seniorentickets, während Nutzer von Semester- und Sozialtickets leer ausgehen würden, ebenso Käufer von Monatskarten oder Einzeltickets. Das Abgeordnetenhaus forderte am Donnerstagabend »klare Entschädigungsregelungen für alle Kunden der S-Bahn und betroffene Gewerbetreibende«. Außerdem müsse die Bahn die Sparvorgaben für die S-Bahn zurücknehmen«, die Krisen-Verantwortlichen suspendieren und sehr schnell zu »vorausschauender Wartung« zurückkehren.
Auch der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) dringt auf umfassendere Entschädigungen. Die Bahn müsse nachlegen, einzelne Kundengruppen herauszugreifen, gehe nicht an, so VBB-Geschäftsführer Hans-Werner Franz. Da alle Fahrgäste betroffen seien, müssten auch alle entschädigt werden. Eine rechtliche Pflicht der Bahn dazu bestehe allerdings nicht, wohl aber eine »moralische Verpflichtung«. Die Studierenden der Berliner und Potsdamer Universitäten und Fachhochschulen werfen der Bahn in einem offenen Brief eine Hinhaltetaktik vor, da immer noch keine verbindlichen Zusagen für die Entschädigung von Semesterticket-Inhabern vorliegt.
Klar sind jetzt die Modalitäten, nach denen die S-Bahn-Stammkunden entschädigt werden sollen. Bei Abo-Kunden entfällt automatisch die Dezember-Abbuchung, bei Einmalzahlung erfolgt eine Rückbuchung. Fahrgäste, die ihre Jahreskarte am Schalter bezahlt haben, erhalten ihr Geld bei Vorlage des Dezember-Abschnitts an den Fahrkartenschaltern der S-Bahn und BVG zurück. Die Regelung gilt auch unabhängig davon, bei welchem Verkehrsunternehmen das Ticket gekauft wurde. Und von ihr sollen auch Neukunden profitieren, die sich bis zum 10. November für ein Abo oder eine Jahreskarte entscheiden. Sie können also ebenfalls im Dezember gratis fahren. »Ein netter Köder, um die Fahrgastverluste zu begrenzen«, kommentierte ein Insider.
Ab Montag soll sich die Situation für die Fahrgäste leicht entspannen. Die Stadtbahn wird wieder in voller Länge mit drei S-Bahn-Linien befahren. Die S 3, S 5 und S 7 verkehren jeweils im 20-Minuten-Takt: die S 3 zwischen Erkner und Charlottenburg, die S 5 zwischen Strausberg und Charlottenburg und die S 7 zwischen Ahrensfelde und Westkreuz. Auf der S 5 werden zwischen Mahlsdorf und Alex zusätzliche Züge eingesetzt, um einen Zehn-Minuten-Takt zu erreichen. Zudem wird von Montag an die Linie S 46 von Königs Wusterhausen über Hermannstraße hinaus bis Südkreuz verlängert. Zunächst würden die am stärksten belasteten Strecken verstärkt, so Buchner, die Strecken nach Strausberg-Nord oder Spindlersfeld hätten nicht »oberste Priorität«.
Für das aufgestockte Angebot stehen der S-Bahn kommende Woche 190 Zwei-Wagen-Einheiten zur Verfügung, nur etwa 30 mehr als derzeit. Weitere Verbesserungen sind für den 2. Oktober angekündigt, wenn etwa 210 Viertelzüge betriebsbereit sein sollen.
Obwohl jetzt nicht nur Radsätze, sondern auch Bremszylinder überprüft und ausgewechselt werden müssen, ist Buchner optimistisch: »Wir werden diesmal schneller aus dem Keller kommen als beim ersten Mal«, versprach er beim Fahrgastforum. Der Austausch sei parallel so organisiert, dass das Ziel, ab 13. Dezember wieder im normalen Takt und Umfang zu fahren, eingehalten werden könne. Allerdings – eine kleine Unsicherheit bleibt: Das Schlimmste wäre, wenn noch so ein »U-Boot« auftauchen würde, gestand der S-Bahn-Chef. Zum Wochenbeginn hatte das Unternehmen einen Bremszylinder entdeckt, der schon vor Erreichen der Austauschgrenze defekt war.
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