Beichte im Hotel

Siegfried Unseld geht auf Reisen, um seine Autoren zu treffen

»Ein literarisches Verlagshaus wird definiert durch die Art seines Umgangs mit den Autoren.« (Siegfried Unseld) Auf dem Foto sieht man den Verleger (Mitte) mit Max Frisch (links) – nicht immer war der Umgang beider harmonisch.
»Ein literarisches Verlagshaus wird definiert durch die Art seines Umgangs mit den Autoren.« (Siegfried Unseld) Auf dem Foto sieht man den Verleger (Mitte) mit Max Frisch (links) – nicht immer war der Umgang beider harmonisch.

Ninon Hesse nahm an, im Schreibtisch ihres Mannes werde man Wichtiges kaum finden, keine Manuskripte, keine Handschriften. Doch nun, im August 1962, Tage nach dem Tod des Schriftstellers, öffnet sie zum ersten Mal die Fächer und ist so überrascht wie Unseld, der neben ihr steht. Da liegen Mappen über Mappen mit Gedichtentwürfen und Varianten, Zeitungsdrucke, alle nummeriert, gebündelt und in einem Notizheft dokumentiert, dazu findet man eine riesige, penibel geführte Adressenkartei. In Schränken und Schubladen der Zimmer, die Hesse bewohnte, die vielen, vielen Sonderdrucke, Manuskripte, Bildentwürfe, Aquarelle.

Für Siegfried Unseld, der zum Begräbnis nach Montagnola kam, ist dies ein Anblick, den er natürlich festhalten musste. Hesse ist so etwas wie sein Hausgott gewesen. Über ihn hat er Aufsätze und seine Doktorarbeit verfasst, mit ihm hat er Briefe gewechselt und manches Gespräch geführt, und seit dem 1. April 1959 ist er auch sein ...


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