Alles Sieger – nur nicht die SPD
LINKE mit 576 Stimmen Vorsprung jetzt auf Platz zwei / Größte Verweigerung zeigten Erstwähler
Der Montag nach der Bundestagswahl war traditionell der Tag der Statistiker und Analytiker. Landeswahlleiter Andreas Schmidt von Puskás und die Präsidentin des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg, Prof. Ulrike Rockmann, legten am Vormittag buchstäblich druckfrisch das vorläufige Ergebnis und Schlussfolgerungen vor.
Vielleicht verkündeten sie aus statistischer Sicht bei dieser Gelegenheit sogar das Ende der sogenannten Volksparteien. Denn von den fünf im Bundestag vertretenen Parteien liegen in Berlin nunmehr drei bei 20 Prozent Stimmenanteil, zwei weitere folgen mit mehr oder minder deutlich über zehn Prozent. Die in Berlin bislang stärkste Partei war am Sonntag sogar größter Verlierer. Nur die SPD verlor – und das schmerzlich – Stimmenanteile. Die SPD holte in Berlin (20,2 Prozent) weniger Stimmen als im Bund (23,0). Deutlich legten hingegen LINKE, Grüne und FDP zu, die CDU nur etwas.
Auch die LINKE bestätigte das Wort des Wahlleiters, »Berlin wählt ja immer ein bisschen anders«. Denn in der Hauptstadt waren es für sie 20,2 Prozent (Bund 11,9). Dabei kletterte die LINKE im Ostteil der Stadt von 29,5 Prozent (2005) auf 33,8, im Westteil von 7,2 auf 10,8 Prozent. Sie erkämpfte sich hinter der CDU, die 22,8 Prozent holte, den zweiten Platz der Parteien an der Spree. Beim gleichen Prozentsatz wie die SPD brachte sie 576 mehr Zweitstimmen ein. Die Linkspartei erzielte in Berlin, und das im Osten und Westen, den größten Zuwachs. Ihre Hochburgen sind mit 41,2 Prozent Lichtenberg vor Marzahn-Hellersdorf mit 40,8 Prozent. Dort konnte mit 6,4 Prozent auch die größte Steigerung gefeiert werden. Ganz hinten blieb inzwischen schon traditionell Steglitz-Zehlendorf mit 7,2 Prozent. Auch hier gab es zwei Prozent Plus.
Die sozialen Strategen der Sozialisten dürften sich durch die Analysen bestätigt sehen. Denn danach holte die LINKE gerade dort Stimmen, wo der Anteil von Hartz IV-Empfängern hoch ist, im Osten bei Älteren und im Westteil in einfachen Wohnlagen, bei hohem Ausländeranteil und starkem Migrationshintergrund sowie mehr als andere Parteien bei Jüngeren. Für die SPD gilt hingegen das Gegenteil. So bescheinigten die Statistiker den Sozialdemokraten besonders schlechte Werte in Gebieten mit hoher Hartz IV-Quote – und dies im Westen sogar überdurchschnittlich – sowie bei den 18- bis unter 30-Jährigen.
Ein Unterschied zur CDU besteht hier kaum. Allerdings holten die Christdemokraten bei der Altersgruppe von 60 Jahren und älter, in guten Wohnlagen und bei niedriger Hartz IV-Quote auch noch viele Stimmen. Sie sind vor allem im Westen mit 27 Prozent stark, kamen trotz eines Zuwachses im Osten nur auf 16,8 Prozent.
Gewinne in allen Bezirken machten die Grünen und die FDP. In Friedrichshain-Kreuzberg hatten die Grünen nicht nur einen stolzen Christian Ströbele als Sieger im Direktwahlkreis, sondern ebenso wie in Mitte auch eine relative Stimmenmehrheit. Die FDP holte vier Prozent mehr Stimmen im Westen und im Osten 2,4 Prozent zusätzlich. Ihre Hochburg ist Steglitz-Zehlendorf.
Überdurchschnittlich stark verweigerten Erstwähler die Stimmabgabe. Ihre Beteiligung sank von 70,7 (2005) auf 60,9 Prozent. Den Zusammenhang von hoher Hartz IV-Quote und Wahlverweigerung nannte Prof. Rockmann in seiner Eindeutigkeit sogar »sensationell«. Als Phänomen erwiesen sich die Piraten. Gegen die Trends holten sie Stimmen gerade bei jungen Wählern. Sie punkteten in Berlin ebenfalls anders als im Bund: Dort waren es zwei Prozent, in Ostberlin allein 4,1 Prozent und 2,9 Prozent in Westberlin. In ihrem stärksten Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg/Prenzlauer Berg Ost holten die Freibeuter 6 Prozent.
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