Berlins »Leuchtturm« feiert Jubiläum
Vor 40 Jahren wurde der Fernsehturm eingeweiht – am 3. Oktober wird wieder platziert
Es gibt Ragout fin, Soljanka und Steak ou four – der Festschmaus hat einen etwas nostalgischen Beigeschmack, aber das ist gewollt: Am 3. Oktober, ausgerechnet am Tag der deutschen Einheit, wird der Fernsehturm, den diese Zeitung einst als »Leuchtturm des Sozialismus« bejubelte, 40 Jahre alt. Und das wird entsprechend gefeiert, zum Beispiel mit einer »nostalgischen Zeitreise«, wie Gisela Aue, Geschäftsführerin der TV-Turm Gastronomiegesellschaft, ankündigt.
Die Speisekarte vom Eröffnungstag gehört dazu wie der Druck der alten Eintrittskarten, und im Turmcafé werden die Gäste auf merkwürdige Hinweisschilder treffen: »Sie werden platziert«. Nach einer Stunde müssen sie dann den himmlischen Platz wieder verlassen, damit die nächsten platziert werden können. Allerdings haben sie dann immerhin zwei Turmumrundungen geschafft. Denn heute dreht sich das Café schneller: Nicht mehr in einer Stunde ist man herum, sondern schon in 30 Minuten. Touristengruppen haben heute meist nicht mehr Zeit für die Stadtbesichtigung aus 207 Meter Höhe, und für den Umsatz ist es auch gut.
Auch sonst hat sich einiges verändert in den vergangenen Jahren. Die beiden Aufzüge brauchen nur noch 38 statt 40 Sekunden bis zur Aussichtsplattform, in die Turmumbauung zogen TV- und Fitness-Studio, und der Turm wuchs um drei auf 368 Meter. Den Zuwachs brachte eine neue Antenne, die Ende der 90er Jahre von Turmeigentümer Telekom montiert wurde. Unverändert hoch ist die Besucherresonanz: 1,2 Millionen Menschen wollen jährlich Berlin aus der Vogelperspektive erleben, Deutschlands höchstes Bauwerk ist nach dem Brandenburger Tor die Berliner Sehenswürdigkeit und ein Wahrzeichen für die ganze Stadt.
Abreißen wie noch kurz nach der Wende will den Turm mit der markanten Kugel jedenfalls niemand mehr. Dafür kommen Glückwünsche aus aller Welt, zum Beispiel von der Föderation der höchsten Türme der Welt, deren Mitglied der Fernsehturm ist. Eine separate Prominentenfeier werde es zum Turmfest nicht geben, sagt Turmchefin Gisela Aue. »Alle können kommen und zwischen 9 und 24 Uhr mit uns feiern.« In der Eingangshalle wird eine Ausstellung an Highlights der vergangenen 40 Jahre erinnern, vom Bau des Turms bis zur Verwandlung der Kugel in einen riesigen Fußball. Die Jubiläumsgäste können sich an DDR-Schlagern erfreuen, und zum Abschied wartet auf jeden eine kleine Überraschung. Man darf gespannt sein: Gibt's den Fernsehturm als Schlüsselanhänger, Kugelschreiber, in Plätzchenform, zum Aufblasen oder selber bauen? Für die Souvenirindustrie ist der Turm jedenfalls längst die Nummer eins.
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