Forschung soll auf Tegel fliegen
IHK empfiehlt Ansiedlung von Industrieunternehmen nach der Schließung des Flughafens
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) hat hochfliegende Pläne, wenn es um die Nachnutzung des Flughafens Tegel nach der voraussichtlichen Schließung in zwei Jahren geht. »Da gehen wir mit dem Senat konform«, erklärte IHK-Präsident Eric Schweitzer gestern und zeigte, wie sich sein Haus die Zukunft des 460 Hektar großen Areals im Norden der Stadt vorstellt: »Hier können zentral Forschung und Industrie angesiedelt werden.« Das sei eine einmalige Chance für Berlin. Die Wissenschaftsstadt Adlershof platze schon jetzt aus allen Nähten.
»Stellen Sie sich nur die Möglichkeiten auf diesem riesigen Gelände vor. Ein Hektar sind 10 000 Quadratmeter«, rechnete Schweitzer vor. »Was sich da alles unterbringen lässt.« »Hier hat der Senat mal rechtzeitig darüber nachgedacht, was nach der Schließung von Tegel mit dem Gelände geschehen soll, und nicht, wie im Fall Tempelhof, erst im Nachhinein. Tegel soll nach der Öffnung des Großflughafens BBI in Schönefeld ebenfalls geschlossen werden.
Der günstige Autobahnanschluss sowie die Nähe zum Westhafen und zur Innenstadt machten das Areal, das Bund und Land gehört, zu einem attraktiven Standort, meinte Schweitzer. In der früher von den französischen Alliierten bewohnten Cité Pasteur könnten zum Beispiel Forschungseinrichtungen untergebracht werden. Die Cité Foche und die Cité Guynemer seien schon stillgelegt. »Forschung und Industrie rücken immer näher zusammen«, so die Überzeugung des IHK-Präsidenten. In diesem Zusammenhang warnte er davor, das Gelände zu einem weiteren Veranstaltungs- und Kongressort zu machen. Zur Jungfernheide hin könne ein Landschaftsraum als natürliche Begrenzung geschaffen werden. Die laut IHK noch immer fast leer stehende Wasserstadt Oberhavel ganz in der Nähe solle endlich stärker bewohnt werden, forderte Schweitzer.
In Berlin fehle es an großen zusammenhängenden Industrieflächen, stellte der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Christian Wiesenhütter fest. Die vergleichsweise schwache Wirtschaftsentwicklung sei auch auf die immer noch zu geringe Zahl von Industriearbeitsplätzen zurückzuführen, meinte Schweitzer. In einem ersten Schritt gehe es nun vorrangig darum, durch die Änderung des Flächennutzungsplanes Planungssicherheit für Investoren herzustellen.
Für die Ausweisung der Industriefläche bietet sich nach Ansicht der Handelskammer vor allem das Zentrum des Flughafengeländes an. »Wir wollen natürlich kein umweltstörendes Gewerbe mit qualmenden Schornsteinen ansiedeln«, meinte Jochen Brückmann, bei der IHK verantwortlich für Infrastruktur und Stadtentwicklung. Vielmehr könne man sich hier die Fertigung von Fotovoltaikanlagen vorstellen. Der Architekt Meinhard von Gerkan hat auf dem Gelände schon eine Ökostadt vorgeschlagen. Gerkan hatte damals auch schon das sechseckige Empfangsgebäude geplant.
Investoren ließe sich das alles erst schmackhaft machen, wenn entsprechende Angebote vorgelegt werden könnten. »Das war in Adlershof genau so, als dort die Wissenschaftsstadt entstand«, sagte Schweitzer. Dort sei nun aber kein Platz mehr für weitere Ansiedlungen. Deshalb müsse Berlin hier einmal vorausschauend agieren, betonte der Kammerpräsident. »Wir reden hier nicht von den nächsten zehn oder zwanzig Jahren«, sagte er.
Zu den Plänen der Industrie-. und Handelskammer meinte gestern ein Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: »Wir unterstützen selbstverständlich die Ansiedlung von weiterer Industrie in der Stadt. Allerdings sehen wir die Lage nicht ganz so dramatisch wie die Industrie- und Handelskammer.«
Die Geschichte des Flughafens Tegel
- 1828 bis 1908: Artillerieschießplatz
- 1901 bis 1918: Stationierung militärischer Luftschiffe
- 1918 bis 1933: Unterbrechung der militärischen Nutzung
- 1930 bis 1933: Experimente mit ersten Flüssigkeitsraketen
- ab 1933: Truppenübungsplatz
- 1948: Während der Blockade Westberlins wird Tegel neben Tempelhof zum zweiten Flughafen ausgebaut. Der erste Flug findet am 5. November 1948 statt.
- 1970: Grundsteinlegung für das das Empfangsgebäude
- 1974: Tegel wird militärisch und zivil genutzt
- 1990: Mit der Wiedervereinigung enden die alliierten Sonderrechte1996: Berlin, Brandenburg und der Bund vereinbaren, einen neuen Flughafen in Schönefeld zu bauen. Bei seiner Inbetriebnahme soll Tegel geschlossen werden.
- 2011: Geplante Inbetriebnahme des BBI Quelle. IHK Berlin
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