Unesco-Fachfrau im Dresdner Kabinett
Sachsens Regierungschef ernennt Minister / Gegenwind für Chef im Wirtschaftsressort
Dass Dresden den Welterbe-Titel verloren habe, sei eine »Blamage für Deutschland«. Das schrieb Sabine Freifrau von Schorlemer, Professorin für Völkerrecht an der TU Dresden, im April in der Zeitschrift »Vereinte Nationen«. Sie monierte ein »Kräftemessen« zwischen Lokal- und Landespolitikern und der Unesco, die den Titel vergab. Die Kritik kam nicht von ungefähr: Die in Bayern gebürtige Juristin gehörte der deutschen Unesco-Komission an und ist bei der Weltorganisation so angesehen, dass sie einen Unesco-Lehrstuhl an die Dresdner Uni holte.
Es entbehrt also nicht einer gewissen Pikanterie, dass Schorlemer seit gestern sächsische Ministerin ist – und damit einer Landesregierung angehört, die sich unter Ministerpräsident Georg Milbradt im Brückenstreit konsequent jeder Annäherung an die Unesco verweigerte. Unter dessen Nachfolger Stanislaw Tillich sitzt mit der parteilosen Wissenschaftlerin, die für Hochschulen und Kunst zuständig ist, quasi eine Unesco-Insiderin am Kabinettstisch – aber zu spät: »Das ist Vergangenheit«, sagte sie: »Die Entscheidung ist gefallen.«
Mit Schorlemers Ernennung gelangt Tillich ein Coup, wie auch die Opposition einräumte: André Hahn, Fraktionschef der LINKEN, sah einen »Lichtblick«, der Grüne Karl-Heinz Gerstenberg nannte die Personalie »so überraschend wie interessant«.
Weniger euphorisch wurden die anderen drei Kabinetts-Neulinge empfangen, die neben fünf auf ihren bisherigen Posten verbleibenden Ministern amtieren. Während Jürgen Martens, der neue Justizminister, als Fachpolitiker respektiert ist, weht seinem Parteifreund Sven Morlok der Wind scharf ins Gesicht. Morlok, der nicht nur Wirtschaftsminister, sondern auch Tillich-Vize wird, sei »bestenfalls dritte Wahl«, mosern die Grünen; Hahn nennt das eine »merkwürdige Personalentscheidung«. Morlok kam nur zum Zug, weil Parteichef Holger Zastrow den Chefposten in seiner Werbeagentur nicht aufgeben wollte und ein weiterer aussichtsreicher Kandidat ins Landtags-Präsidium gehievt wurde.
Auf ein geteiltes Echo stieß die Beförderung des Pirnaer Oberbürgermeisters Markus Ulbig an die Spitze des Innenressorts. Gerstenberg lobte dessen Engagement gegen Rechtsextremismus und hofft, dass der Freistaat nun lokale Initiativen in diesem Bereich besser unterstützen möge. Hahn, der aus der Sächsischen Schweiz mit der Kreisstadt Pirna stammt, beklagte dagegen eine »Fehlbesetzung« und sah lediglich einen »Glückstag« für die Kommune, die nun »auf einen besseren OB hoffen« dürfe.
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