Gene aus dem Müll
Die wundersame Verwandlung von Junk-DNA
Auch außerhalb von Genen gibt es jede Menge DNA-Sequenzen, die jedoch nicht für Proteine codieren und daher respektlos als Junk-DNA oder »Gen-Müll« bezeichnet werden. Das bedeutet indes nicht, dass diese Erbgut-Teile gänzlich funktionslos wären. Sie steuern in der Zelle unter anderem die sogenannte Transkription, in deren Verlauf ein Gen abgelesen und als RNA-Molekül vervielfältigt wird.
Dass die Junk-DNA auch an der Neubildung von Genen beteiligt ist, wird seit längerem vermutet. Gemeinhin gehen Evolutionsbiologen allerdings davon aus, dass neue Gene entstehen, indem DNA-Sequenzen, die bereits genetische Informationen tragen, neu kombiniert werden. Nun aber erbrachte eine Forschergruppe vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön erstmals den Nachweis, dass Gene sich auch »de novo« aus Junk-DNA bilden können. Wie die Wissenschaftler um Fabian Staubach im Fachblatt »Current Biology« (online, DOI: 10.1016/j.cub. 2009.07.049) mitteilen, sei ein solches Gen bei Mäusen aus einem zuvor funktionslosen DNA-Abschnitt in einem längeren Zufallsprozess hervorgegangen – und zwar vor etwa 2,5 bis 3,5 Millionen Jahren. Damit wäre das Gen aus der Sicht der Evolution noch sehr jung.
»Das neu entdeckte Gen ist das einzige, das sich in der Mitte eines langen nicht-codierenden Chromosomenabschnitts befindet«, sagt Staubach. Zwar kommt der gleiche Abschnitt in allen anderen bekannten Säugetier-Genomen vor. Aber nur bei Mäusen findet sich das betreffende Gen, das seinen Trägern in der Evolution offenbar einen Vorteil verschaffte. Doch worin könnte dieser bestanden haben? Zur Beantwortung der Frage identifizierten die Plöner Forscher die genaue Funktion des Gens, indem sie dieses bei Labormäusen inaktivierten. Die damit entstandenen sogenannten Knockout-Mäuse hatten sowohl kleinere Hoden als auch langsamere Spermien.
Dass ein Gen, welches nachweislich auf die Fortpflanzung einwirkt, in der Evolution von Vorteil sein kann, liegt auf der Hand. Auch Gene, die sich auf »herkömmliche« Weise bilden, sind häufig in den Hoden aktiv. Das wiederum könnte erklären, warum mitunter wenige Mutationen ausreichen, um ein neues Gen entstehen zu lassen. Dieses wird dann über die Spermien an die nächste Generation weitergegeben und kann – sofern es sich bewährt – im Zuge der Evolution weiter angepasst und gegebenenfalls von anderen Geweben im Körper rekrutiert werden.
Er sei überzeugt, sagt Diethard Tautz, Direktor am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie, dass sich weitaus mehr solcher Gene finden ließen, wenn man nur intensiver nach ihnen suchte. Danach erst könne man abschätzen, wie hoch die Rate der »de novo-Entstehung« von Genen tatsächlich ist. Selbiges herauszufinden, haben sich die Plöner Forscher als Aufgabe für die Zukunft gestellt.
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