LINKE will auch nach 2011 regieren
Debatte über Strategiepapier begleitet Neuwahl des Fraktionsvorsitzenden
Die heutige Wahl des neuen Fraktionsvorsitzenden der LINKEN im Abgeordnetenhaus wird begleitet von einer Debatte über die Strategie des weiteren Vorgehens. Schon der erste Satz des Grundsatzpapiers verweist auf einen klaren Anspruch: Regieren. Denn es geht den Autoren um Vorhaben in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode »und darüber hinaus«. Gemeinsam mit der SPD müssten Themen angepackt werden, heißt es, »die über 2011 hinausweisen und deutlich machen, dass eine linke Stadtregierung für Berlin die bessere Lösung bleibt«.
Dieses Papier, das ND vorliegt, ist gezeichnet vom designierten Nachfolger der ins Amt der Arbeits- und Sozialsenatorin wechselnden Carola Bluhm. Dabei hat sich Udo Wolf der Mitwirkung seiner Fraktionskolleginnen Jutta Matuschek und Martina Michels sowie des Parlamentarischen Geschäftsführers Uwe Doering versichert. Das deutet darauf hin, dass der Wunsch nach weitgehender Übereinstimmung in der Fraktion trotz mancher bisheriger Kontroversen realistisch ist.
Da in der ersten Legislaturperiode der Beweis erbracht sei, man könne auch schmerzhaft sparen, soll es nun anders gehen. Berlin könne der »Krise nicht hinterher- sparen« und das Problem der Altschulden ohne Bundeshilfen nicht lösen, heißt es jetzt. Geprüft werden solle eine Verfassungsklage gegen die »Schuldenbremse«, um landespolitische Gestaltungsspielräume erhalten zu können.
Mehrausgaben in bestimmten Bereichen nennt das Papier »notwendig und berechtigt«. Namentlich geht es um die Gehälter im öffentlichen Dienst. Dessen Beschäftigte hätten durch Arbeitszeitverdichtung und Einkommensverzicht zur milliardenschweren Entlastung des Landeshaushaltes beigetragen, loben die Genossen. Anerkennung müsse sich »in der Brieftasche der Beschäftigten niederschlagen«. Die Reduzierung auf 100 000 Beschäftigte soll zudem erst im Jahre 2013 erreicht werden. Wolle man die soziale, ökonomische und kulturelle Infrastruktur nicht auf Verschleiß fahren, sei ohnehin zu fragen, was die Stadtgesellschaft an öffentlich finanzierter Ausstattung brauche.
Werden auch bei Fraktionsvorsitz und Senatorinnenamt personelle Karten neu gemischt, bleibt doch das laut allen Analysen der Bundestagswahl erfolgreiche Soziale Trumpf. »Mit sozialem Fortschritt aus der Krise – Warum die Stadt sozial und ökologisch umgebaut werden muss« ist das 12-Seiten-Dokument überschrieben. Die Antwort dürfte sich vornehmlich unter der Überschrift »Weichen stellen über 2011 hinaus« finden.
Hier werden Reformvorhaben wie die Gemeinschaftsschule, die öffentlich geförderte Beschäftigung oder die Sanierung von Landesunternehmen statt ihrer Privatisierung als Bausteine einer Gesamtstrategie bezeichnet. Diese schließlich begründe »durch Chancengleichheit die Attraktivität Berlins als Metropole«. Es werde an der Erfüllung des Versprechens von Innovation und Gerechtigkeit, von sozialem Fortschritt gearbeitet. Alle, die in der Stadt leben, sollen sich wohl und sicher fühlen – ob mit oder ohne deutschem Pass. Es müsse sich zeigen, ob ein politisches Lager links von Union und FDP die innere Kraft aufbringe, politisch und konzeptionell aus dem Bankrott des Neoliberalismus Konsequenzen zu ziehen.
Sorge bereitet deutlich erkennbar die Außenwirkung. Die Autoren selbst sehen noch nicht ausreichend beantwortet, inwieweit linkes Regierungshandeln »nachhaltige Effekte für ein zukunftsfähiges und soziales Berlin« gebracht habe. Die Beseitigung der von den Vorgängern verursachten Missstände gerate zunehmend in Vergessenheit.
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