Jugendarbeit versinkt im Pool
Erzieher und Sozialarbeiter wehren sich gegen geplante Übertragung an freie Träger
Ein Planschbecken mit Wasser wurde aufgebaut, darin schwimmen gelbe Bade-Enten und ein Haifisch. Erzieher, Sozialarbeiter und Jugendliche sind in Bademäntel gekleidet, tragen Transparente und haben Musik aufgedreht: Unter dem Motto »Die Kinder- und Jugendarbeit geht baden« protestierten sie am Dienstagnachmittag vor dem Kreuzberger Rathaus in der Yorkstraße.
Der Jugendhilfeausschuss der BVV wollte dort über die Übertragung der Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen des Jugendamtes Friedrichshain-Kreuzberg in freie Trägerschaft abstimmen. Nach dreistündiger Diskussion vertagte er die Entscheidung auf den 3. November.
Betroffen wären vor allem zehn kommunale Träger: das CHIP-Jugendhaus, der So-nett-Kindertreff, das Regenbogen-Freizeithaus, der Feuerwache-, KoCa- und Skandal-Jugendclub, die Kinderfreizeiteinrichtung Känguruh, der Kinderfreizeitladen Die Nische und das mobile Projekt X-tra. Fünf weitere Jugendeinrichtungen befinden sich in einer Kooperation aus öffentlichen und freien Trägern, elf Projekte werden bereits von freien Trägern geführt. 53 Mitarbeiter kommunaler Einrichtungen kommen im neuen Haushaltsplan nicht mehr vor und werden – wenn die BVV zustimmt – in den Zentralen Stellenpool aufgenommen.
Fielen die kommunalen Träger weg und müssten sich auch die freien Träger neu bewerben, zerbrächen die über Jahre erarbeiteten Strukturen, fürchten die Mitarbeiter. Ihr Know-how und die aufgebauten Vertrauensverhältnisse zu den Heranwachsenden gingen verloren. Deshalb protestieren in den aktuellen Auseinandersetzungen die Mitarbeiter freier und kommunaler Einrichtungen gemeinsam.
Eine Erzieherin, die namentlich nicht genannt werden möchte, argwöhnt, dass es sich um Lohndumping durch die Hintertür handelt: »Die Übertragung wird mit erheblichen Gehaltseinbußen einhergehen. Die kommunalen Träger waren immer ein Fixpunkt. Jetzt können die freien kürzen, weil nicht mehr an kommunalen Trägern gemessen wird.« Das gelte auch für die Zahl der Mitarbeiter.
Die entstandene Unsicherheit behindere die Jugendarbeit, vor allem Schwerpunktarbeit zum Beispiel zur Berufsvorbereitung komme zu kurz, sagt der Vater Hans-Jürgen Beier. »Die Mitarbeiter haben keinen Kopf dafür. Sie sind dazu angehalten worden, Bewerbungen zu schreiben.«
»Solange der Senat die Bezirke ausbluten lässt und keinen Paradigmenwechsel vollzieht wird die Daseinsvorsorge in den Bezirken nach und nach wegfallen«, sagt Jugendstadträtin Monika Herrmann (Grüne). Trotzdem will sie die Sparvorgaben des Senats erfüllen. Ihr sei bereits vorgeworfen worden, dass sie nicht schließe – so sei noch mehr Geld einzusparen. Die Übertragung sieht sie als einzige Chance: Werde jetzt nicht übertragen, dann werde in zwei Jahren geschlossen. Die Forderungen der kommunalen Mitarbeiter wischt sie vom Tisch: »Die werden ja nicht arbeitslos.«
»Die Jugendarbeit zu erhalten ist schwierig, da sie nicht einzuklagen ist«, sagt Herrmann. Gemeinsam mit Juristen überlege sie, wie das Land zu Jugendarbeit verpflichtet werden könne.
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