Schlechte Pflege im Heim

Schulnotenprüfung zeigt gravierende Mängel in stationärer Betreuung

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 2 Min.
Die ersten 1057 Pflegeheime haben Noten für ihre Betreuungsqualität bekommen. Gestern wurden die anonymen Daten vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (MDK) in Berlin vorgestellt. Nach wie vor ist ihre Aussagekraft umstritten.

Zuerst die gute Nachricht: Über 700 der in den letzten drei Monaten geprüften Pflegeheime haben von den stets unangemeldet auftauchenden MDK-Kontrolleuren »sehr gute« oder »gute« Noten bekommen, 256 Heime erhielten ein »Befriedigend«. Die schlechte Nachricht: 73 Häuser bekamen nur »ausreichend«, »zwölf« wurden mit »mangelhaft« beurteilt. Die Bewohner dieser Einrichtungen, ihre Angehörigen und andere Interessenten können aber frühestens im November sämtliche Prüfergebnisse mit Namen und Adressen der Heime im Internet lesen.

Seit dem Beginn dieses Jahres können und sollen die Leistungen der stationären Pflegeeinrichtungen verglichen werden, und die Ergebnisse von Qualitätsprüfungen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Heime an einer gut sichtbaren Stelle veröffentlicht werden. Die dafür entwickelten Bewertungsmaßstäbe in Form von Schulnoten waren allerdings von Anfang an umstritten. In die fünf Zensuren fließen 82 Einzelbewertungen ein, wobei die pflegerische Versorgung das größte Gewicht hat. Bis Ende 2010 müssen alle Einrichtungen einmal geprüft werden, anschließend ist eine jährliche Kontrolle vorgesehen. 35 Kriterien betreffen den pflegerischen und medizinischen Bereich, zehn Punkte den Umgang mit dementen Bewohnern, weitere zehn die soziale Betreuung und Alltagsgestaltung und noch einmal zehn Kriterien erfassen Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene. Aus den Einzelbewertungen der werden Mittelwerte gebildet, aus diesen bildet sich die Gesamtnote für die betreffende Einrichtung.

Kritiker des Schulnotensystems befürchten, dass eine realistische Beurteilung der Pflegequalität darunter leidet, dass schlechte Pflegezustände durch eine gute Freizeitgestaltung ausgeglichen werden könnte. Diesen Vorwurf halten die Vertreter der Krankenkassen mit den vorliegenden Prüfergebnissen für ausgeräumt. Rechne man diese auf die insgesamt ca. 10 000 Betreuungseinrichtungen in Deutschland hoch, so ergäben sich für ungefähr 1700 Einrichtungen kritische Zustände in der Pflege, so K.-Dieter Voss, Vorstand des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherungen: »Diese Zahlen werden Konsequenzen haben«. Sie reichten von Anhörungen bis hin zur Schließung.

Immerhin schnitt fast ein Fünftel der geprüften Heime gerade in der Pflege schlecht ab und einem Viertel der Einrichtungen konnten die Prüfer nur mittlere Qualität bescheinigen. Im Umgang mit Demenzkranken erhielten 192 Einrichtungen schlechte Noten, die soziale Betreuung war in 152 Häusern zu beanstanden. Nicht geprüft wurden übrigens Umfang und Qualifikation des Personals. Dies obliege der Heimaufsicht und sei nicht Bestandteil der Prüfstrukturen, erklärte Dr. Peter Pick vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.