Rassisten und falsche Bettler

Namibische Linie-1-Version »Friends4Eva« im Gripstheater

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Nein, eine U-Bahn gibt es nicht in Windhuk, der Hauptstadt von Namibia, auch keine Buslinie. Das Sammeltaxi ist hier das landestypische Fortbewegungsmittel. Statt »Fahr mal wieder U-Bahn« heißt es deshalb »Come and take a taxi«, und auch sonst ist einiges anders in »Friends4Eva«, der namibischen Version des legendären »Linie 1«-Musicals im Grips-Theater. Außer der Stimmungslage: Zweieinhalb Stunden lang verfolgen die Zuschauer am Hansaplatz hingerissen die Suche der Deutschen Eva nach ihrem afrikanischen Prinzen – es wird gestaunt, geweint und gelacht, und am Ende tanzen alle auf der Bühne. Nun geht die Musikrevue auf Deutschlandtournee.

Mit der namibischen Version, umgesetzt von Natasha Lamoela und Frank Dornbrach von Avalon Event, schließt sich die letzte Lücke im Grips-Verkehrsnetz: Afrika war bisher der einzige Kontinent, auf dem das erfolgreichste aller Grips-Stücke noch nicht Station gemacht hat. Seit seiner Uraufführung 1986 erlebte das Musical von Autor Volker Ludwig und Musiker Birger Heymann etliche Welttourneen. Neuinszenierungen gab es in Kalkutta, Seoul, Jerusalem oder Vilnius, wo die U-Bahnlinie zur Buslinie umfunktioniert wurde.

Nun also Windhuk, wo die Probleme noch eine Nummer ernster sind als in der Partnerstadt Berlin: Statt auf Punks, Spießer und Arbeitslose trifft die Hauptfigur Eva auf falsche Krüppel, Drogensucht und Rassismus, und aus den reaktionären Wilmersdorfer Witwen wird ein lächerliches Buren-Trio, das immer noch an die Überlegenheit der Weißen glaubt: »Wer sich mit Schweinen paart, wird selbst ein Schwein«, tönt ein dickbäuchiger Farmer mit dünnen weißen Beinen und buntem Hemd.

Die Grundgeschichte in der englischsprachigen Afrika-Version mit deutschen Übertiteln, die gut lesbar auf eine Tafel über der Bühne projiziert werden, ist dieselbe wie im Original. Aus der jungen Ausreißerin, die zwischen Bahnhof Zoo und Schlesischem Tor ihren Freund sucht und dabei jede Menge Lebenserfahrung sammelt, ist eine blonde Eva geworden, die auf der Suche nach ihrem Freund Johnny die afrikanische Realität kennen lernt.

Alles ist etwas direkter, kürzer und lässiger als in der Urfassung – andererseits aber auch ernster: Eva hat sich bei einem Konzert in den schwarzen Musiker verliebt und merkt erst, dass sie schwanger ist, als ihr Traumprinz schon längst über alle Berge ist. Kurzerhand beschließt die naive Blondine, nach Namibia zu fliegen und den Vater in spe zu suchen. Leichter gesagt als getan: Bevor es zum programmierten Happy-End kommt, verschwindet im Gewühl von Windhuks Flughafen Evas Tasche mit Geld, Papieren und allem drum und dran, kaum dass sie ihren Ankunftssong »Namibia, I’m here« zu Ende gebracht hat. Auf der folgenden Reise begegnet Eva religiösen Fanatikern, Alkoholikern und einem vom eigenen Vater geschwängerten Mädchen. Sie erlebt Gewalt und Rassismus, aber auch Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft.

Die Songs, mit Trommeln und Reggae-Takten unterlegt, sind allesamt Ohrwürmer. Die Stimmung ist trotz des ernsten Hintergrundes heiter und gelöst. Grips-Schauspielerin Kathrin Osterode, die auch einige Jahre als Provinzmädchen in der Berliner Version auf der Bühne stand, spielt die junge Frau auf der Suche glaubhaft und charmant. Die eigentlichen Hauptrollen aber spielen Windhuk und seine geprüften, großherzigen und einmaligen Bewohner.

Tourdaten u.a. 15.10. Waschhaus Arena Potsdam, 21.10. Kulturhaus Gotha, 25.10. Werk II, Leipzig, www.berlin-windhoek.org

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